Trips & Träume
und wieder hatte er kurz genickt. Das war aber auch alles. Den Mann konnte man nicht verarschen.
»Selbstverständlich freue ich mich für die junge Szene in unserer Stadt, besonders wenn ein erfolgreicher Plattenmanager hier vielversprechende Nachwuchskünstler entdeckt. Aber was hat das mit mir zu tun?«
»Das Festival wird in einem Zelt stattfinden. Da passen etwa tausend Leute rein. Und genau so viele Besucher erwarten wir, vielleicht kommen sogar ein paar mehr«, sagte Don.
Wagner blieb unbeeindruckt. »Und?«
»Das Zelt steht auf einem Parkplatz, der der Stadt gehört.«
»Dann müsst ihr mit dem Ordnungsamt reden.«
Don zupfte am Hemd, das aus dem Jackett lugte. »Ich hatte gehofft, dass Sie mit denen reden.«
Jetzt kam es drauf an.
»Ich kann dem Amtsleiter nicht in seine Befugnisse reinreden.«
»Herr Bürgermeister, wenn einer das kann, dann sind Sie es. Ich will offen zu Ihnen sein, allein das Anmieten übersteigt schon beinahe unser Budget. Weitere Ausgaben für den Platz können wir uns nicht leisten.«
Ich begann Dons Vorgehensweise zu begreifen. Das Zelt stand auf einem Parkplatz, der der Stadt gehörte. Bei Veranstaltungen würde eine Ablöse für die dreihundert Stellplätze fällig. Eine Summe, die seinen Etat unnötig belastete.
Endlich traute ich mich, auch etwas zu sagen. »Das Ordnungsamt könnte auch großzügig mit der Uhrzeit umgehen und die Sperrzeit lockern.«
»Langsam, meine Herren. Warum sollte ich das alles tun? Am Ende des Jahres muss der Haushalt Einkünfte aufweisen. Wir haben nichts zu verschenken, der Stadtsäckel ist nicht mehr so üppig gefüllt wie früher.«
Wagner war ein Profi, und zwar im Sinne von abgebrüht.
»Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen«, sagte Don. »Sie erlassen uns die Ablöse, die Genehmigung durch das Ordnungsamt bekommen wir obendrauf. Dafür bringen wir Sie in die Zeitung. Mein Freund hier macht ein Interview mit Ihnen. Darin können Sie sich als weltoffener Mann präsentieren, der die Jugend unterstützt.«
»Ich sage euch was«, brummte Wagner. Plötzlich regte sich etwas in ihm, er rutschte fast vom Stuhl, als sei es ihm darauf ungemütlich geworden.
»Eine Hundertschaft Polizei«, sagte er weiter, »werde ich euch vorbeischicken. Eine Bande Langhaariger bringt den ganzen Ort in Verruf. Was meint ihr, was wir für Beschwerden bereits wegen der Vorentscheidung im Mehrzweckraum hatten? Und diese, wir nennt ihr das, diese Freaks aus dem Hot Rats, die bringen doch nur Drogen mit.«
Das musste ihm Anführer geflüstert haben.
»Das sind Verleumdungen« antwortete Don gelassen. »Wir laden Sie ein, dies alles persönlich zu überprüfen.«
»Um in die Zeitung zu kommen, brauche ich euer Festival nicht«, sagte Wagner mit erschreckender Offenheit, »ich pflege die besten Beziehungen zur Lokalpresse.«
Don ließ nicht locker. »Dann wissen Sie auch, Herr Bürgermeister, dass Herr Schirmer Sie in seinen Kommentaren ständig angreift, wegen fehlender Kindergartenplätze, wegen des seit Jahren überfälligen Ausbaus der Grundschule et cetera. Die Liste ließe sich fortführen. Wenn Sie uns unterstützen, wird Schirmer das in seinem nächsten Kommentar wohlwollend berücksichtigen. Sie könnten wieder punkten für die Kommunalwahl im kommenden Frühjahr.«
Don war zu weit gegangen. Jetzt schmeißt er uns raus, dachte ich.
Wagner stand demonstrativ auf. Die Unterredung war beendet. »Meine Herren, Sie hören von mir.«
Er hatte seine Fassung wiedergefunden, war nun ganz Stadtoberhaupt. Beim Rausgehen warf ich einen letzten Blick auf Frau Wiegand und ihren Ausschnitt. Sie beachtete mich nicht.
Als wir wieder auf der Rathaustreppe standen, konnte Don sich ein Grinsen nicht verkneifen.
»Wir sind komplett abgeblitzt«, sagte ich.
»Das mit Schirmer kam genau im richtigen Moment. Das hat Wagner geärgert. Denn er will noch lange Bürgermeister bleiben. Er braucht die Jugend, wir sind die Wählerstimmen von morgen.«
»Ich schreibe diesen Artikel nicht, das kannst du vergessen!«
»Du machst das nicht für mich, du machst das für das Festival!«
»Das mit dem Journalismus habe ich mir anders vorgestellt.«
»Immer schön die Wahrheit schreiben, oder was?«
»Ich soll diesen Wagner als einen tollen, jugendfreundlichen Typen darstellen, der er gar nicht ist?«
»Dein Berufsethos in allen Ehren, aber häng die Ansprüche nicht zu hoch. Merke dir: Du bist nur so gut wie das letzte große Ding, das du vollbracht hast. Pass auf, dass du es
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