Trips & Träume
nichts. Sein Unterhemd hatte noch nicht einmal Schweißspuren.
Was in den nächsten Minuten passierte, brannte sich unauslöschlich in mein Gedächtnis.
Marks Vater hatte die Hände in die Hüften gestemmt. »Du hast mich angelogen«, sagte er. Ein Drohen lag in der kratzigen und tiefen Stimme.
Mark machte auf unschuldig. »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
Sein Vater setzte nach. »Das mit dem Schlagzeugspielen.«
Mark grinste verlegen, die Trommelstöcke steckten hinten in seiner Jeans.
Muhammad Ali schoss nach vorn und drückte Mark mit ausgestrecktem Knie gegen die Wand. Mit einem einzigen Griff schnappte er sich die Arme seines Sohnes und riss sie in die Höhe. Dafür brauchte er nur eine Hand, die sich wie eine riesige Zange um Marks Gelenke legte.
Erschrocken fuhr ich aus dem Sessel hoch.
Marks Vater musterte mich aus den Augenwinkeln. »Bleib, wo du bist. Das ist eine Familienangelegenheit, die nur uns etwas angeht«, fauchte der Schrank von einem Mann.
Ich hielt in der Bewegung inne, wusste für einen Moment nicht, was ich unternehmen sollte, wie ich die Kampfhähne auseinanderbringen konnte.
Mark keuchte unter dem Klammergriff seines Alten. »Ich werde nie so werden wie du. Wann kapierst du das endlich?«
Marks Vater ballte die freie Hand zur Faust, für einen kurzen Augenblick sah es so aus, als wolle er mit seiner Pranke ausholen.
Ich wusste noch immer nicht, was ich tun sollte. Vielleicht half reden. »Das bringt doch nichts, lassen Sie uns vernünftig bleiben«, sagte ich hilflos.
Muhammad Ali lockerte seinen Griff und trat einen Schritt zurück. Anscheinend war er zu Verhandlungen bereit. Doch was dann geschah, passierte ebenso schnell wie der Angriff zuvor.
Mark schlug zu. Und landete einen Volltreffer.
Flatsch! Die Ohrfeige landete mitten im Gesicht seines Vaters.
Ich musste etwas tun, nur was? Irgendwie musste ich sie voneinander trennen, bevor es in eine richtige Schlägerei ausartete. Ich nahm meinen ganzen Mumm zusammen und stellte mich zwischen die Kampfhähne.
Mark rieb sich die Finger. Sein Schlag hatte gesessen und war mindestens so schmerzhaft für ihn wie für seinen Vater.
Er schaute seinen Alten an, noch nie hatte ich einen solchen Zorn in seinen Augen gesehen. »Ja, ich spiele Schlagzeug«, polterte Mark los, »ja, ich habe eine Band. Ich werde Musiker, ob dir das passt oder nicht. Und mir ist es scheißegal, ob ich so ende wie Onkel Rudi.«
Marks Vater deutete auf die Tür. »Ich will dich hier nicht mehr sehen.«
Er wirkte nicht mehr unangreifbar. Dieser Riese war nun in sich zusammengesunken, mit hängenden Schultern, Tränen der Wut liefen über die durch Marks Volltreffer glühenden Wangen.
Ich unternahm einen letzten Versuch. »Das können Sie nicht machen, das lässt sich doch alles regeln.«
Der Alte schüttelte den Kopf. »Raus, alle beide.«
Wo war bloß Marks Mutter? Wäre sie hier gewesen, wäre das alles nicht passiert. Davon war ich überzeugt. Die Männer in dieser Familie waren beide unglaubliche Knallköpfe.
Mark griff sich den Parka, der auf dem Bett lag. »Mich siehst du nicht mehr wieder.« Das waren die letzten Worte zu seinem Vater.
Mark marschierte hinaus. Im Treppenhaus begann er zu rennen, als könne er nicht schnell und weit genug von all dem, was mit seinem Alten zu tun hatte, wegkommen. Erst auf der Straße holte ich ihn ein.
»Was willst du nun machen?«, fragte ich.
»Jetzt habe ich einen Grund mehr, nach Berlin zu gehen.«
*
Don schüttelte ungläubig den Kopf. »Das ist nicht wahr.«
Er lehnte an der Wand neben den Stufen zum Rathaus, den rechten Fuß angewinkelt. Er las in der FAZ. Als er mich kommen sah, faltete er das Blatt zusammen und steckte es ins Jackett.
»Gibt es irgendetwas, was dein bürgerliches Hirn nicht rafft?«, fragte ich.
Er lächelte gequält. »Vielleicht kannst du es mir ja erklären.«
»Menschen, die selbst im dunkelsten Keller noch einen Schatten werfen, helfe ich gerne. Vielleicht findest du ja so endlich den Weg hinaus.«
Er ignorierte meinen Spruch. »Unserem Herrn Bundeskanzler soll der Friedensnobelpreis verliehen werden. Das soll einer kapieren«, sagte er.
»Was stört dich daran?«
Falten bildeten sich auf seiner Stirn. »Dass jemand ausgezeichnet wird, der ein sozialistisches Regime unterstützt«, sagte er verständnislos.
»Die Abkommen mit der DDR dienen dazu, den Menschen Erleichterungen zu verschaffen. Man kann sich wieder besuchen, über die geplante Transitstrecke«, hielt ich
Weitere Kostenlose Bücher