Tristan
mit einem Wink, den die junge Frau aus den Augenwinkeln gesehen haben musste. Blitzschnell drehte sie sich um und verschwand aus dem Zimmer. Auch Courvenal sagte nichts mehr dazu, als hätte diese Szene gar nicht stattgefunden. Er setzte sich auf einen Stuhl, wie um nachzudenken, stand aber gleich wieder auf und fragte Angelina: »Stimmt es, dass Arnold van Ambachten in der Stadt erwartet wird?«
»O ja«, sagte die Äbtissin mit heller Stimme. »Er ist sogar schon da. In zwei oder drei Tagen wird er den Renärt aufführen, doch erst am Abend. Dann ist der helle Mond noch nicht aufgegangen, denn Arnold braucht Dunkelheit und nur das Licht der Fackeln für sein Spiel. Es wundert mich immer wieder, woher Arnold weiß, wo in diesen Tagen der Mond an Gottes Himmel steht. Er selbst behauptet, es von einem Sternenkundler aus Paris zu erfahren. Für meine Begriffe aber benutzt er die göttliche Ordnung wie ein Spielzeug Villards. Den kennt Ihr doch, oder?«
»Villard Donncour, der …?«
»Jetzt heißt es«, fiel ihm die Äbtissin lebhaft ins Wort, »er habe vor, ein Gerät, ein Ding zu bauen, das sich selbst bewegt, ein sich aus eigener Kraft bewegendes Rad. Das sei auch das Prinzip Gottes! Man stelle sich vor: Gott, der Allmächtige, ein sich selbst bewegendes Etwas. Woher ich das weiß? Ein Zisterzienser auf dem Weg nach Praha hat mir davon berichtet. Wenn Villard das Rad gebaut haben wird, sagte er, müsste man die Genesis neu schreiben. Was für ein Unsinn. Ganz gleich! Faktum bleibt, dass am Abend von Arnolds Darbietung der Mond erst gegen Mitternacht erscheinen soll. Es sei denn«, fügte sie schmunzelnd hinzu, »er scheint gar nicht, weil der gütige Himmel sich mit Wolken vor neugierigen Blicken schützt. Für uns sind jedenfalls nahe der Bühne einige Plätze reserviert. Sicher wird sich für Euch und Euren Zögling auch etwas finden lassen. Der Bischof ist anwesend und die Herren der Stadt, die ja bekannterweise alles miteinander teilen. Würde Euch das gefallen?«
Der Rothaarige ~130~ Die schöne Stimme
Courvenal nahm die Einladung liebend gerne an, bedankte sich überschwänglich dafür, sagte jedoch kein Wort mehr zum Brief und der Übergabe oder gar zu Villards perpetuum mobile. Er lächelte bei seiner Verabschiedung, kaum aber war er im Kreuzgang, huschten Zeichen der Besorgnis über sein Gesicht. Natürlich war ihm klar, dass das Schreiben von Floräte eine Fälschung sein musste. Jemand wollte auf diese Weise wissen, wo sich Tristan aufhielt, und ihn in Sicherheit wiegen.
Der Name Drystan verriet auch leicht, woher die Boten gekommen waren. Was konnten diese irischen Späher anderes im Schilde führen, als dem Jungen ein Böses zu tun. Wie nur war zu verstehen, dass noch ein anderer am Tor gewesen war und nach den Boten fragte? Darauf konnte sich Courvenal keinen Reim machen. Er musste noch einmal mit Beata sprechen, diesmal unter vier Augen.
Er fand die Novizin in einer der Kammern, in der gewaschen wurde. Die Nonnen sangen bei der Arbeit. Durch die Tür hörte Courvenal eine Stimme, die besonders hell und sicher klang. Er hätte gern noch eine Weile diesem Gesang zugehört, ließ aber Beata holen. Die junge Frau folgte ihm schüchtern mit hochgekrempelten Ärmeln ihres Habits auf den Hof. Bei einer Kastanie blieb Courvenal stehen.
»Was genau hat dieser Dorran von dir verlangt, in welcher Sprache hat er gesprochen.«
»Mühselig in der lateinischen, und auch Britannisch war dabei.«
»Und was wollte er wissen?«
»Wann Ihr ankommt und wie lange Ihr bleibt.«
»Und du hast ihm den Brief gegeben?«
»Er sagte, er sei der Aufseher der beiden und wolle kontrollieren, ob es auch der richtige Brief sei. Er hat ihn nur kurz entfaltet, draufgeblickt und ihn mir gleich wieder durchs Fensterchen gereicht.«
»Hat er gesagt, aus welchem Land er kommt?«
»Erst nicht, dann hat er Wein getrunken und gesagt, seine Insel sei die schönste auf der Welt, nur die Königin sei schöner.«
»Er hat Wein getrunken bei euch hier am Tor?« Beata schüttelte den Kopf und musste lächeln. »Wo also habt ihr euch in der Stadt getroffen?«
Beata schlug die Augen nieder und kündigte damit an, wieder in Schweigen zu verfallen.
»Du brauchst nichts zu sagen, wenn du nicht willst. Doch mit dem Kopf nicken oder ihn schütteln, das darfst du, das sind ja keine Worte. - Also, war es fern von den Mauern?«
Sie schüttelte leicht den Kopf.
»War es unten am Hafen?«
Ein Kopfnicken.
»Bei den Ständen an der
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