Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
Vom Netzwerk:
gekommen sei, um sich im Auftrag von König Marke aus Cornwall nach dessen Schwester Blancheflur zu erkundigen, und behauptete, zufällig diesen Irländer getroffen zu haben, der in Italien seinen Freund Pint erschlug - da zermarterte sich Rual den Kopf, wie das eine mit dem anderen und dies alles mit dem plötzlichen Verschwinden Tristans und Courvenals in einen Zusammenhang zu bringen wäre. Als dann noch der Klosterbruder Curtius hervortrat und von einem roten Stern berichtete, der seit Beginn der Reise des jungen Herrn Tristan am Horizont aufgegangen und nun, genau in dieser Nacht, zum ersten Mal nach sieben jähren trotz klaren Himmels nicht mehr sichtbar wäre, verlor Rual die Geduld.
    Er wusste sich nicht anders zu helfen, als den Britannier und den Irländer in den Turm sperren zu lassen und zu befehlen, dass mit dem Morgengrauen drei Schiffe ablegen sollten: eines in Richtung Asturien, eines nach Irland und eines, auf dem er selbst mitfahren wollte, nach norje.
    »Alle Anwesenden«, sagte er zuletzt mit bebender Stimme, »verpflichten sich, kein einziges Wort von dem, was hier und heute geschehen ist, vor die Mauern dieser Burg zu tragen, oder es wird ihnen die Zunge aus dem Hals geschnitten.«
    Das Feuer ließ er löschen, Curtius forderte er auf, den Himmel die ganze Nacht über nach dem roten Stern abzusuchen, und er selbst machte sich mit Floräte auf zu ihrer Kemenate.
     
    Sich in Unruhe ~172~ stürzen
     
    Als Rual sich in dieser kurzen Nacht von der einen auf die andere Seite seines . Lagers wälzte, hatte er furchtbare Träume, als würde ihn jemand an den Schultern stoßen und rütteln, sich in seinen Nacken verbeißen und ihn foltern, als sei er ein Gefangener, dem kurz nach dem Erwachen kaum ausdenkbare Strafen bevorstünden. Tristans spurloses Verschwinden verwandelte sich in seinem laut schlagenden Herzen zu einer Marter, die er am ganzen Leib erfuhr, weil wohl ein Teufel in ihn gefahren war und mit hundert quallenartigen Tentakeln versuchte, ihm Arme und Beine aus den Gelenken zu drehen.
    Floräte war es, die ihn, als er verschwitzt aus seinen Schrecken erwachte, zu beruhigen versuchte. Stöhnend vor innerlichem Leid lag Rual an diesem frühen Morgen in ihren Armen. Wie einen flüssigen Klumpen fühlte er die ganze Schuld in sich, Tristan verloren zu haben und dazuhin auch noch Courvenal, den getreuen Lehrer.
    Kaum hatte er sich aber gefasst, beschwichtigte er Floräte, die voller Sorgen war, bat sie um Verzeihung für seine Tränen, die er um Tristan weinte, erinnerte sie an den Schwur, den sie sich selbst gegenüber geleistet hatten: niemals zu verraten, wessen Sohn Tristan wirklich war, und warnte sie davor, jemals ein Wort über Blancheflur zu verlieren.
    »Ich ahne nicht«, sagte er mit erstickter Stimme, »was um uns herum vorgeht. Diese merkwürdigen Boten aus anderen Welten - es ist mir ein Rätsel, was sie von uns wollen. Ich weiß nur, welchem Weg ich folgen muss: Tristan finden und ihn zurückholen in unsere Gemeinschaft. Deshalb muss ich dich und meine Söhne jetzt verlassen. Wenn ich über einem Jahr nicht zurückgekommen bin, lass die Fremden frei. Ich muss jetzt aufbrechen.«
    Er sah, als er diese Worte über sie gleichsam ausschüttete, seine Frau nicht an, er konnte es nicht. Auf dem Flur erwartete man ihn schon, übergab ihm sein Schwert, zwei Beutel mit Münzen, seinen Dolch mit dem reich verzierten Griff, den ihm Tristan von seiner Reise mitgebracht hatte, und eine flache Ledertasche mit einigen Pergamentseiten und Schreibutensilien. Als Letztes legte er sich seinen Gürtel um, in dessen Innentasche Floräte auf sein Geheiß hin Blancheflurs Ring eingenäht hatte.
    So ausgerüstet mit Waffen und dem Werkzeug gelehrter Mönche, die vor allem ans Wort glaubten, machte sich Rual auf den Weg zum Hafen. Nach der Marschallin wandte er sich nicht ein einziges Mal um. Angst überfiel ihn bei dem Gedanken, dass er das Schicksal eines ganzen Volkes in ihre Hände gelegt hatte, um ihr einen Sohn zurückzubringen, der nicht einmal ihr eigener war. Ein Geheimnis trug er auf seinen Schultern mit sich fort dem Meer entgegen. Seine Untertanen, denen er am Wegrand auf dem Ritt zum Hafen begegnete, grüßten ihn zwar mit Respekt, doch keiner dieser armen Leute ahnte, dass ihr Gebieter sie nun sich selbst überließ. Und Rual kannte die Gefahr, die entstand, wenn ein Herrscher außer Landes war.
    Bei diesem Gedanken ließ er für einen Augenblick die Zügel aus den Händen gleiten, mit denen

Weitere Kostenlose Bücher