Tristan
Leute diese Worte hörten. Zugleich aber tuschelten einige, ob ein solches Wunder, dass einer vom Jäger zum König wurde, mit rechten Dingen zugehe. Eardweard flüsterte besonders leise seine Zweifel in die Ohren der anderen unzufriedenen Barone, denn selbst die Übergabe des Rings hatte ihn nicht überzeugen können.
Auf seinem Heimritt fragte er sich, wie wohl seine Frau Helen auf die Nachricht reagieren würde, sie sei nicht eigentlich Magd eines Knappen, sondern Dienerin eines Königssohns gewesen, der doch in Wahrheit nichts anderes als ein Bastard war. Wenn sie das hörte, würde sie angekrochen kommen und ihm bestätigen, dass es besser wäre, arm aber ehrlich zu leben, statt reich und verlogen. Und du gehst nie wieder dorthin!, würde er von ihr verlangen, sonst bist du nicht besser als eine von diesen wiffbei den Kirschbäumen, die Jahr um Jahr dort ihre Zelte aufschlagen. »Wer sich am Schatten wärmt, hat sich bereits in der Sonne verbrannt!« - Das wollte er ihr ins Gesicht sagen. Nie wieder würde sie ihn zurechtweisen können, dass er ihr nicht genügend an Beute von der Jagd mitbrächte.
Wütend und voller Zufriedenheit über seine Macht, sie demütigen zu können, schlug er dem trägen Gaul die Hacken seiner ausgeborgten Lederstiefel in die mageren Rippen.
Früher Morgen ~191~ Neue Regeln
Eardweard dachte falsch. Helen war nicht erstaunt und auch nicht überrascht. »Tristan, ein Königssohn«, sagte sie und musste gähnen, weil ihr Mann sie mitten aus dem Schlaf gerissen hatte mit seiner Nachricht, »das hätte ich mir denken können. So sieht kein gewöhnlicher Knappe aus, so sprechen nicht einmal die Söhne der Barone vom Land. Du wirst mir noch dafür danken, dass ich ihm diene«, fügte sie hinzu. »Von nun an wird es besseres Essen geben und für uns alle genug davon abfallen. Und jeder Hase, den du triffst, wird uns zur Münze. Wir brauchen dringend einen Stall für die Hühner. - Ein König - mehr Gutes konnte uns gar nicht geschehen.« Sie wandte sich auf die andere Seite, und die Kinder, die neben ihr lagen, mussten es ihr gleichtun. »Leg dich hin, Mann!«, sagte sie noch. »Mach nur keinen Fehler. Ich bin näher an allem dran, als du es je sein wirst. Und schnarch mir nicht die Ohren voll! Du hattest wieder zu viel Met. Ich kann es bis hierhin riechen.«
Es war dunkel in dem Raum. Eardweard zog seinen Rock aus, streifte die Stiefel von den Füßen, tastete sich am Boden entlang, bis er das Lager erreichte. Helen hatte ihm nur einen Zipfel von der wollenen Decke gelassen. Eine Weile noch lag er wach, hörte auf ihren Schlaf, das ruhiger werdende Atmen. Vor seinem inneren Auge sah er noch einmal, was heute Abend geschehen war, wie König Marke sich hatte setzen müssen, als wäre er ein müder Mann. Und daneben Tristan, dieser Jüngling, der alles zu wissen schien. Dazu noch dieser Normanne. War es ein Normanne? Woher kam der eigentlich? Wo war diese Burg, von der er behauptete, der Marschall zu sein? Eardweard war noch nie auf dem Meer gewesen. Einmal hatte er es von Weitem gesehen, von einem Felsen aus nach einem langen Ritt durch den Wald. Plötzlich lag es vor ihm: eine unendlich weite ebene Fläche ohne Hügel und Täler, ohne Pflanzen und Bäume, aber voll mit dem glitschigen Fischzeug, das Händler manchmal auf den Markt brachten. Er hatte Helen verboten, etwas Derartiges zu besorgen. »Wir haben den Wald«, murmelte er und merkte, wie ihm Speichel aus dem Mund floss.
Als er anderntags erwachte, war Helen schon weg, die Kinder saßen um das Feuer, zwei von ihnen arbeiteten auf den Feldern, in der Kammer lag das Jüngste, das ihm lästig war, in einem Korb und schrie - es war wie immer.
Helen hingegen war viel früher als sonst auf den Beinen gewesen. Einem Königssohn zu Diensten zu sein bedeutete etwas Besonderes. Das Tor zur Burg war noch geschlossen, als sie mit der Faust dagegenschlug. »Ich bin Helen, die Dienerin von Lord Tristan«, rief sie. Ihre Worte schienen die große Tür sogleich zu öffnen.
»Na also!«, sagte sie lachend, als hätte sie gerade die Burg im Alleingang gestürmt, und lief an den Wachen vorbei, die offensichtlich schon ihre Anweisungen bekommen hatten.
Alles hatte sich verändert von einem auf den nächsten Tag. Welcher das war, wollte Helen gar nicht wissen. Tage zählen war die Arbeit des Chronisten. Sie machte sich auch nichts aus dem Samstag, an dem die Arbeit ruhen sollte. Was für ein Unsinn! Für sie gab es viel Wichtigeres. Sie
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