Tristan
so.«
»Tristan … will es … so«, wiederholte der Mönch nachdenklich die Worte, war jetzt nah an Helen herangetreten, schlug die Kapuze zurück, und Helen erkannte Courvenal.
»Herr«, stieß sie hervor, »ich weiß von nichts. Man hat mich aus dem Schlaf gerissen und weggeschleppt.«
»Ich nehme an«, sagte Courvenal in vertraulichem Ton und schickte die Reiter mit einer Handbewegung fort, »du sollst ihn begleiten auf seiner letzten Reise.« Courvenal hatte Helen bei den Händen gefasst und führte sie mit Vorsicht einen Weg entlang, der an ausgelegten Holzplanken endete.
»Was heißt das: seine letzte Reise?« Die Gegenwart Courvenals beruhigte Helen, nicht so seine Worte. Sie hörte das Rauschen des Meeres, aber sie konnte kein Wasser erblicken, sondern sah nur Felsen und Gestrüpp.
»Du wirst gleich verstehen, was ich meine«, sagte Courvenal. »Folge mir jetzt und gib acht, dass du mit deinen Füßen auf den Planken bleibst.«
Er ging voran, Helen folgte seiner Gestalt, schaute nach unten und merkte erst nach ein paar Schritten, dass sie sich auf einer Art Steg befanden. Er führte um einen Felsen herum. Da blickte sie auf und sah alles vor sich: das Schiff, auf das sie zugingen, die Feuer darauf und das Gestade, gegen dessen Felsen das Wasser schwappte. Sie hörte das Geschrei von Möwen, erblickte Männer, die Lasten auf das Schiff trugen, und vernahm soldatische Befehle, die zur Eile mahnten. Vor Schreck blieb sie stehen. Auf ein Schiff sollte sie?
Fieber ~ 215 ~ Hundeelend
Als Tristan sie wiedererkannte, glitt ein Lächeln über sein Gesicht. Eine ange-. nehme Erinnerung überkam ihn. Helens aufgelöste Haare, mit denen sie sich zu ihm niederbeugte, erschienen ihm wie die Zweige hängender Weiden mit ihren leuchtend grünen Blättern im Frühling. Er fühlte die zarte Berührung der Blattspitzen auf seinem Gesicht und murmelte: »Da ist sie.« Er starrte Helen in die Augen und sank aufstöhnend mit dem Kopf, den ein Knappe in seiner geöffneten Hand wie in einer Schale hielt, zurück auf das Kissen seines Lagers. »Er ist in der Glut«, sagte Courvenal leise.
Helen wandte den Kopf zur Seite und hielt den Atem an. Noch immer umgab diesen jungen Mann ein Gestank, der jeden zum Ersticken bringen musste. Da Tristan die Augen geschlossen hatte und sie in sein bleiches Gesicht blickte, das wie aus Wachs geformt schien, mochte sie ihn nicht länger ansehen. Ekel stieg in ihr hoch, erbrechen wollte sie und stieß nur die Worte hervor: »Was, in des Teufels Namen, habe ich hier zu tun?« Bevor Courvenal, der ihre beunruhigte Stimme vernahm, sie von Tristans Lager wegführen konnte, sackte sie zusammen. Courvenal rief nach den Knappen, um Helen aus der kleinen Kammer, in die unter Deck Tristan wie ein Tauschgut hingelegt worden war, nach oben zu bringen. Im selben Moment fing der Boden unter ihren Füßen an zu schwingen. Das Schiff legte ab.
Courvenal wusste nicht recht, was geschah. Die Mannschaft folgte Markes und Tristans Anweisungen. Der Dahinsiechende sollte nach Irland gebracht werden, Tristan hingegen faselte im Halbschlaf etwas von seinem »Heimatland«.
»Meinst du Parmenien?«, hatte ihn Courvenal daraufhin flüsternd angesprochen und sich bis zu Tristans Ohr hinuntergebeugt.
»Irland wird meine Heimat sein«, flüsterte Tristan, Speichel floss ihm aus dem Mundwinkel.
»Essigwasser und diesen bitteren Tee!« Courvenal hatte sich zu zwei Mägden umgewandt. Essig half, das Fieber zu senken, der Kräutersud den Blut- und Eiterfluss aus der Wunde zu mildern. »Gestank, um Gestank zu vertreiben«, sagte der Mönch vor sich hin, raffte sich auf und suchte nach Helen. Er fand sie völlig verschreckt an Deck des Schiffes. Sie klammerte sich an ein Tau und versteckte den Kopf in ihren Kleidern wie ein Vögel den seinen im Gefieder. Courvenal rüttelte sie an der Schulter. »Hast du etwas mit ihm gehabt?«, schrie er gegen das Rauschen der Wellen an, durch die das Schiff von einer Seite zur anderen geschoben wurde.
»Ich war seine Magd!«, schrie sie zurück. »Das ist alles. Und ich hasse das Meer!«
»Ohne Meer kein Leben!« Ob er das nur gedacht oder auch gesagt hatte, wusste Courvenal nicht mehr, als er sich von der Magd abwandte. Sie war ihm gleichgültig, ebenso wie das, was zwischen ihr und Tristan geschehen sein mochte. Längst waren sie aus der Bucht heraus und befanden sich auf offener See. Ein Sturm wütete, der Wind peitschte die Wellen, kein Fischer wäre hinausgefahren bei
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