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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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gelagert wurden, oder die Waffenkammern. Tristan hatte allein keinen Zutritt zu dem Saal. Er brauchte jemanden, der für ihn spräche. Es fiel ihm kein anderer als Marjodô ein, mit dem er sich inzwischen duzte. Nach langem Suchen fand er ihn schließlich auf einem der Flure, unterwegs zu den Räumen der Wachhabenden.
    »Das trifft sich gut«, sagte Tristan. »Ich muss in den Versammlungssaal und brauche deine Hilfe, ich brauche dich gewissermaßen als Schlüssel zu einer der Türen«, scherzte er, »aber die Wachen verstellen mir den Weg.«
    »Zu Recht! Was willst du in dem Saal.«
    »Ich muss im Auftrag des Königs nach Londres.«
    »Nach Londres?« Marjodô blieb stehen.
    »Nun ja, der König will, dass ich mich um geistiges fodder für die langen Winterabende kümmere.«
    »Was für ein Futter?«
    »Bücher, Schriften.«
    »Ein feiner Auftrag!« Marjodô lachte. »Das würde mir auch einmal guttun: mit einem Säckchen voller Münzen nach Londres reiten!«
    »Und mit einem Packesel beladen mit libri zurückkehren!«, ergänzte Tristan den Satz.
    Das freilich konnte sich der Truchsess nicht vorstellen, dazu fehlten ihm das Wissen und der Überblick. Er gab klein bei: »Und was hat das alles mit dem Königssaal zu tun?«
    »Ich denke, einen Monat lang werde ich wohl unterwegs sein«, wich Tristan aus, »so lange hast du die Kemenate ganz für dich allein.« Er schnalzte mit der Zunge.
    »Einen Monat?« Marjodôs Augen leuchteten auf. Einen Monat, dachte er und sah Isolde vor sich, die schönste aller Frauen, die er versuchen würde, zu sich in die Kammer zu ziehen. Zugleich wusste er, dass dies eine Illusion bleiben würde. Sie wärmte ihm die Seele, ließ sie aber hohl, weil er sich zu viele Gedanken darüber machen musste, wie er eine Königin verführen könnte. Doch es gab ja auch noch jede Menge Zofen und Mägde, bei denen könnte er seine Kunst zuerst versuchen. Er musste es nur geschickt anstellen. Ein eigenes Gemach war die beste Voraussetzung! Da erst entsann er sich wieder Tristans, der ungeduldig neben ihm stand. »Und, nun endlich«, gelangte er zu sich und zu ihm zurück, »was ist mit dem Saal?«
    »Oh, nichts Bedeutendes. Ich habe dort bei der letzten Versammlung eine Schriftrolle liegen lassen. Darauf stehen auch Titel von Büchern, die ich in Londres besorgen oder mir zumindest dorthin schicken lassen will.«
    »Mehr ist es nicht? Und deshalb lassen sie dich nicht hinein?«
    »Strengste Anweisung des Königs. Davon ist auch sein Neffe nicht ausgenommen.«
    »Aber ich. Komm!«
    So öffneten sich für Tristan die Türen zum Saal. Er müsse eine Weile suchen zwischen den vielen Plänen, Marjodô ließ ihn allein, gab den Wachen Anweisung, die Türen wieder gut zu verschließen, wenn Sir Tristan alles beisammen habe, fragte den jungen Mann noch, für wann die Reise geplant wäre, und zog von dannen. Tristan betrat den Saal mit zwei Lämpchen in den Händen, um genug Beleuchtung zu haben, und hatte Zeit und Ruhe, um unter den Plänen jenen ausfindig zu machen, auf dem der verborgene Austritt aus der Burg eingezeichnet war. Dreist rollte er den Plan zusammen, trat an den Wachen vorbei, er habe jetzt die Bücherlisten, und ging in einen der Räume, in denen das Essen vorbereitet wurde. Dort fertigte er mit Holzkohle auf einem Stück Tuch eine Skizze an. Danach brachte er den Plan zurück in den Saal, es sei doch nicht das Dokument, das er gesucht habe. Nur einer der Wächter verstand das Wort documentus und ließ ihn eintreten. So legte Tristan den Plan auf den Tisch zurück und einige andere darüber, damit nichts auffiele.
    Zwei Tage später ritt er aus der Burg. Am Tag zuvor hatte er in einer Rüstkammer des Südflügels den verborgenen Schacht gefunden, eine morsche Leiter durch eine neue ersetzt, den Gang, der unter der Befestigungsmauer hindurchführte, von Spinnweben und Gerumpel befreit und vor den Mauern die von Flechten besetzte und von Gestrüpp überwucherte Holztür aufgehebelt, die wie eine Klappe im Boden eingelassen war. Damit Isolde es leichter hätte, befreite er die Luke von Erde und Laub und schlug zu einer Gruppe niedrig gewachsener Fichten einen Weg frei. Mit Ästen und Gestrüpp baute er wie ein Jäger einen Unterstand, in dem sie sogar ein Lämpchen anzünden konnten, ohne dass das Licht von außen zu sehen wäre. Die ganze Nacht war er mit diesem Aurbau beschäftigt, dann kehrte er durch den Fluchttunnel zurück in die Burg. Mit Brangaene und Isolde wurden die Zeiten ausgemacht,

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