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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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königliche Jagd leiten, die er selbst wegen der Arbeiten an den Befestigungsanlagen nicht begleiten könne. Alle klatschten in die Hände, Tristan verneigte sich tief. Die königliche Jagd zu leiten war eine der größten Auszeichnungen, die der König einem Ritter angedeihen lassen konnte. Ein jeder beglückwünschte den jungen Mann dazu. Im Laufe des Abends hatte er sogar einmal die Gelegenheit, Isolde ganz nahe zu kommen. Sie teilte ihm mit, wie sehr sie sich für ihn freue, und flüsterte ihm im Vorbeigehen zu, es seien doch nur drei Tage. Tristan hörte diesen Satz und schaute sich unwillkürlich nach Courvenal um. Der Mönch, der nun wieder in seiner Kutte steckte, passte diesen Blick ab, wandte sich gleich wieder um und gab Tristan damit zu verstehen, dass er ein Eingeweihter sei. Nun wusste neben Brangaene auch Courvenal davon. Tristan war sich nicht sicher, wie er diesen Umstand bewerten sollte, und dachte schon wieder an nichts anderes als an die kommenden Tage, die er Isolde fern sein würde, bloß um ein paar Rehen durchs Unterholz nachzujagen.
    Der Jagdausritt sollte gleich am nächsten Morgen beginnen. Marke verabschiedete Tristan daher zu recht früher Stunde, während alle anderen noch im Saal verblieben. Tristan war das nicht unrecht und er zog sich in seine Kemenate zurück.
    Es war noch dunkel, und er hätte schwören können, kein Auge zugetan zu haben, als er von einem Knecht wachgerüttelt wurde. Seine Kleider lagen schon wohlgeordnet bereit, der Raum war erfüllt vom Schnarchen Marjodôs.
    Im Fackellicht empfing ihn die Jagdgesellschaft. Kaum saß er auf dem Pferd, schloss Eardweard neben ihm auf. »Wir reiten zusammen«, sagte er nur kurz, ohne ihn anzusehen.
    Isolde, dachte Tristan, liegt jetzt in ihrem Bett oder neben Marke.
    Da bellten die Hunde, und die Pferde begannen, sich gemessenen Schritts in Bewegung zu setzen.
     
    GandinsList ~258~ Tristans Antwort
     
    Tristan ritt bei solchen Ausflügen gern allein, aber schon am ersten Jagdtag schloss sich ihm Eardweard an, wie er es angekündigt hatte. Tristan spürte, dass er ihn entweder etwas fragen oder ihm etwas sagen wollte.
    Eardweard fragte: »Helen hat mir etwas von einem Stundenglas vorgeschwärmt, das bei Euch in der Kemenate stehen soll. Ist das Eure Sanduhr?«
    »Sie gehört Marjodô«, sagte Tristan kurz. »Woher weiß Helen davon?«
    »Das musst du sie selbst fragen. Ich habe die Sanduhr zum ersten Mal gesehen, nachdem ich aus Londres zurückgekehrt bin. Ich habe überhaupt zum ersten Mal seit Langem wieder einmal in einem ordentlichen Bett geschlafen. Was würde ich dafür geben, es auch heute tun zu können!« Tristan fühlte sich noch immer übernächtigt und matt. Deshalb auch sah er die Hirschfährte nicht, auf die ihn der Jagdmeister hinwies.
    Sie spürten den Hirsch auf, erlegten ihn und freuten sich gemeinsam über die Beute. Eardweard verhielt sich sehr zuvorkommend und höflich gegenüber Tristan. Er wusste nun, dass er nicht ihm misstrauen musste, sondern Marjodô.
    Als der Jagdtrupp nach drei Tagen mit vier voll beladenen Packpferden zur Burg zurückkehrte, ordnete Tristan an, dass dieses beste Ergebnis, das nach Auskünften Eardweards je bei einer königlichen Jagd erzielt worden war, gebührlich angezeigt werden sollte. Daher formierte er die Reiter und Jäger wie bei seinem allerersten Einritt auf Tintajol, ließ den kapitalen Hirsch entsprechend drapieren und blies, auf dem Hof angekommen, die schönsten Jagdlieder ins Horn, die er kannte. Er sehnte sich nach Isolde und hoffte, dass er sie durch die Melodien zumindest auf den Altan locken konnte und dass Marke zu ihnen hinabkäme, um sie zu begrüßen. Doch nichts dergleichen geschah. Es schien, als sei die ganze Burg schon am Nachmittag in tiefen Schlaf versunken oder von Feinden eingenommen.
    Schließlich trat Marjodô eilig aus einer der Türen auf sie zu, hinter ihm lief der Zwerg Melôt. Marjodôs ernstes Gesicht ließ nicht Gutes erhoffen.
    »Was ist geschehen?«, fragte er ihn frei heraus.
    Marjodô setzte eine verzweifelte Miene auf. »Du kannst es dir nicht vorstellen, Freund! Der König ist unten am Hafen. Gandin, dieser irische Hund, hat rechtmäßig die Königin auf sein Schiff entführt und will noch vor Sonnenuntergang ablegen.«
    Tristan geriet außer sich. Schnell ordnete er an, dass das erlegte Wild regelgerecht verschafft wurde, und freute sich einen Augenblick darüber, wie verständig und hilfsbereit sich dabei Eardweard erwies. Dann wandte er

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