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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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dem Weg entdeckte er in dem dünnen Schneebelag vier Fußabdrücke. Zwei von ihnen waren kleiner als die anderen beiden. Das konnte kein Zufall sein. Tristan und Isolde, dachte er und folgte den Spuren, die sich nach einem kurzen Wegstück teilten: Die kleineren Füße führten nach rechts, die anderen nach links. Wind kam auf und begann, sie zu verwischen. Marjodô wusste nicht, was er tun sollte: einer der Spuren folgen, um die andere zu verfehlen? Oder der anderen nachlaufen, um zumindest zu wissen, wohin sie führte? Stehen bleiben und abwarten, um zu sehen, wer von den beiden zurückkommen würde?
    Es war kalt, Marjodô fror, und so entschied er sich für seine Kemenate. Als er dort eintrat, hörte er Tristans ruhiges Atmen. Wie benommen legte er sich in sein Bett und schwor sich, am nächsten Morgen Marke über seine Beobachtungen zu unterrichten.
    Marke hörte ihm aufmerksam zu. Er ließ zwar Marjodô nicht wissen, dass ihm schon ähnliches Verhalten bei der Königin aufgefallen sei, deutete aber an, es verwundere ihn manchmal, warum die Königin sich besonders in der Nacht so zurückhalte. Überhaupt sei ihm die Teilung der Gemächer fremd. Es müsse doppelt geheizt werden.
    »Welche Teilung der Gemächer?«, wollte Marjodô daraufhin wissen.
    »Sie hat behauptet, das sei in ihrem Irland so üblich: der König und die Königin hätten zwei verschiedene Lager. Und weil sie das wollte, habe ich es so einrichten lassen.«
    »Und warum weiß ich als Burgverwalter nichts davon?« Marjodô spielte den Aufgebrachten, freute sich aber insgeheim, weil das seinen Verdacht bestätigte, Tristan und Isolde …
    »Warum musst du das wissen?«, unterbrach ihn Marke. »Der König bin immer noch ich!«
    Daraufhin zog sich Marjodô mit zwei unterwürfigen Verbeugungen zurück. Da der König seiner jungen Frau völlig ergeben zu sein schien, schob der Truchsess für eine gewisse Zeit seine Verdächtigungen beiseite. Am Hof lief das gewöhnliche Leben ab, es fanden Markttage statt, und die Bauarbeiten schritten voran. Zugleich hielt der Winter endgültig Einzug.
    Da geschah es zum wiederholten Male, dass Marjodô mitten in der Nacht aufstand, um die Latrine aufzusuchen, und dabei feststellen musste, dass Tristans Bett verlassen war. Neugierig schlich er sich hinter das Haus, diesmal in einem warmen Mantel und mit umgeschnürten Lederschuhen an den Füßen, und entdeckte Spuren im Schnee, ein kleines Fußpaar, ein größeres. Diesmal folgte Marjodô den Schritten. Erneut verzweigten sie sich, der Truchsess folgte den größeren. Wenn das Mondlicht durch Wolken verdunkelt wurde, musste er innehalten. Er horchte in die Stille und fragte sich, wohin ihn die Spuren führen könnten. Es gab am Ende des Gartens einen festen Anbau an das Hauptgebäude, dort waren die Gartengeräte untergebracht. Das Gebäude besaß keine Fenster, er hatte es bislang noch nie betreten. Nun stand er davor, die Fußspuren hatten sich wieder vereint, die Tür war geöffnet und wieder geschlossen worden, was durch den verschliffenen Schnee deutlich erkennbar war. Außerdem waren jetzt Geräusche und Stimmen zu hören. Marjodô unterschied die der jungen Königin und die Tristans. »Ich brauche dich wie die Luft zum Atmen!«, hörte er Tristan sagen. »Und du löschst mir den Durst!« - das war Isoldes Stimme.
    Marjodô wandte sich ab und hoffte, nichts mehr hören zu müssen. Er trat einige Schritte von der Tür zurück, denn es drangen durch sie nun auch Geräusche des Beischlafs, wie er sie nur allzu gut kannte: heftiges Stöhnen, kurze unterdrückte Schreie, ein bittendes Flüstern.
    Tristan und Isolde, die Namen dröhnten jetzt in seinem Kopf, und er schwor sich, dieses Paar auseinanderzubringen. Er wusste nur noch nicht, wie ihm dies gelingen sollte. Um seine Spuren im Schnee zu verwischen, zog Marjodô seinen Mantel aus und schleifte ihn hinter sich her, als er zum Haus zurückging.
    In dieser Nacht lag er in seinem Bett und zitterte am ganzen Körper, obwohl er all seine Decken und Felle über sich geworfen hatte. Er zitterte, weil er Angst vor Tristan hatte. Würde er ihn zur Rede stellen, musste er befürchten, dass Tristan im ritterlichen Streit von seinem Schwert Gebrauch machte. Marjodô war völlig ungeübt im Kampf, er würde unterliegen. Er sah schon das Bild vor sich, wie der junge Held ihm das Schwert in den Leib stieß.
    Zu König Marke zu gehen und ihm nochmals zu erklären, dass Tristan seine Königin beschlief - welche Beweise konnte er

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