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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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der Drachen tötet.«
    »Jeder ist verwundbar.«
    »Auch Ihr.«
    »Auch der namenlose Ritter.« - Riwalin bemerkte erst jetzt, dass Blancheflurs Begleiter aufgeschlossen hatten. Bis sie nach einem Wink ihrer Herrin weiter dem Weg hinauf zur Burg folgten, verhielt er sich still. Dann sagte er ganz unvermittelt und sah dabei der jungen Frau direkt in die Augen: »Wenn einer eine verletzte Schulter hat, wird es ihm schwerfallen, die Lanze zu führen.«
    Blancheflur erschrak. Ihr war, als hätte der Parmenier ihre Gedanken gelesen. Riwalin sah das Blitzen in ihren Augen, und wie sie, unsicher geworden, wegblickte. Das war ihm Antwort genug. Er verabschiedete sich mit einer flüchtigen Verbeugung und wendete sein Pferd.
    »Aber nicht doch«, hörte er Blancheflurs gebrochene Stimme, »Ihr reitet sonst zum Lager der freien Frauen!«
    Als er die Worte frie Wielen hörte, sah Riwalin, dass er die falsche Richtung eingeschlagen hatte, riss sein Ross herum und preschte hinter der Schwester des Königs in entgegengesetzter Richtung den Wiesenhang hinab. Aber er vernahm noch, wie sie ihm nachrief: »Es war die linke Schulter!«
     
    Alles geht schnell ~46~ Schmerzen von innen
     
    »Die linke Schulter!« - Mit diesen Worten schnauzte Riwalin Bodan an, als er ins Zelt trat. Bodan dachte natürlich, dass sein Herr dort Schmerzen hatte, und fragte ihn danach. - »Nicht doch, du Tölpel!«, fuhr Riwalin auf. »Der Ritter gestern, der Namenlose, in welcher Hand hielt er die Lanze?« Bodan stutzte, wusste es nicht. »Herr …«
    »Und wo habe ich ihn getroffen, sodass ihm die Lanze aus der Hand fiel? Aus welcher Hand?« Riwalin lief im Zelt auf und ab. »Ihr … habt…«, stammelte Bodan. »Weißt du es, oder weißt du es nicht?«
    »Nicht, Herr.«
    »Was?«
    »Herr, es ging alles so schnell.«
    »Alles geht schnell! Vor allem, wenn man so langsam hinschaut wie du!« Riwalin war verärgert - verärgert über sich selbst. Warum hatte er nur aus dem Kirschgarten herauskommen müssen, als Blancheflur gerade dort den Weg hinaufritt? - »Wieso schaust du nicht genauer hin?«, blaffte er wieder Bodan an. Die linke Schulter, dachte er, natürlich die linke Schulter. Dort hatte er den namenlosen Ritter getroffen. In der linken Hand hatte er seine Lanze gehalten, deshalb hatte Riwalin instinktiv auf diese Seite gezielt. - »Bodan!«, brüllte er. »Wo bist du?«
    »Hier, Herr«, kam es kleinlaut aus einer Ecke.
    Riwalin sah gar nicht hin. Ihm genügte die Antwort. »Misch dich unter die Leute, frag die Reiter und die Ritter aus, frag sie aus. Ich will alles wissen!«
    »Was denn, Herr?« Bodan versteckte sich hinter einer Zeltstange und brachte die Worte nur noch flüsternd hervor.
    Umso lauter schrie sein Herr: »Ich will alles über Geiwan wissen. Ist er Linksoder Rechtshänder. Hat er in seinen Kämpfen Verletzungen erlitten. Leidet er unter Schmerzen im Kopf, an den Zähnen, an der Hüfte, in den Knien. Was für eine Frau hat er, geht er zu den Frauen …?«- An dieser Stelle stockte Riwalin.
    »Noch etwas?«, wagte Bodan zu fragen.
    »Geh … geh … lauf los!«, stieß Riwalin hervor und sagte mit einem Seufzer: »Lass mich allein.«
    Der Knappe stahl sich davon. Die Zeltplane schlug hinter ihm zu, draußen war Stimmengewirr. Es ging auf den Abend zu, und wieder hatten sich Turnierritter versammelt, wollten Riwalin beglückwünschen und erhofften sich freies Essen und Trinken. Aber Riwalin hatte nichts angeordnet. »Geht alle weg«, sagte er und legte sich auf sein Lager. Schlafen wollte er, vergessen, was er an diesem Nachmittag jenseits des Kirschgartens erlebt hatte - und genoss zugleich die Süße der Erinnerung daran. Frie wielen hatte Blancheflur die Frauen genannt: freie Sklavinnen. Dieses Gegeneinander schien seinen Schädel sprengen zu wollen. Er presste die Fäuste gegen die Schläfen, um einen Schmerz von außen gegen den von innen zu erzeugen. Dann ließ der Druck seiner Hände nach. Riwalin schlief ein.
     
    Mädchenhände ~47~ Brennende Seide
     
    Der Weg zu den freien Frauen war ganz leicht zu finden gewesen. Riwalin war dem Pfad zwischen den Bäumen gefolgt, den die Pferde ins Gras getreten hatten. Violette und rostrote Blumenbüschel standen seitlich, von Ferne hörte er Musik, Flöten und Gesang. Dann lichtete sich der Kirschhain, er sah die ersten Zelte. Was ihn verwunderte, war ihre Anordnung: Sie standen im Kreis, aufgeteilt wie ein Stern mit acht Strahlen, in der Mitte war ein einzelnes Zelt aus gelbem Stoff wie

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