Tristan
würde.
Fremdfahrt ~280~ Elmar
Benedictus erlebte an diesem späten Nachmittag, als das Gottesurteil sich für Isolde entschieden hatte, noch voller Häme mit, wie Isolde, seine Isôt, den Klerus blamierte. Danach hatte er sich vor allen anderen aus dem Saal entfernt, war zu seinem Schiff geritten und ohne Abschied von Isolde in See gestochen.
»Wir machen - nein nicht wir, du machst einen Umweg!«, befahl er dem Kapitän und ordnete an, zuerst nach Scotia zu fahren. Während das Schiff Fahrt aufnahm und die Küste Cornwalls hinter sich ließ, stand er am Bug und träumte davon, wie er sich in einigen Tagen in Ketwall Hafen mit all den Gütern, die er in Britannien eingekauft hatte, aussetzen ließe. Noch bevor es dunkel wurde, verfasste er einen Bericht für die Königin Isolde von Erui, in dem er ihr aufs Genaueste die Vorgänge auf dem concilium von Caerleon schilderte. »Dies ist mein Vermächtnis«, schloss er seinen Bericht ab. »Nach Erui werde ich nie wieder zurückkehren. Das Einzige, wofür ich Euch in meinem Leben noch danken möchte, ist das caelia, das köstliche Bier, das Ihr mir ab und an zuteilen ließet. Die Frechheit, mit der Ihr glaubtet, über mich bestimmen zu können, sei Euch verziehen. Lebt wohl, sterbt in Gottes Namen, mit dem die Sonne, die Ihr anbetet, nur wenig zu tun hat. Sie scheint jeden Tag, sogar wenn wir sie nicht sehen. Gott wacht auch über sie. Euer Diener Benedictus.«
Dieses Schreiben wollte er in Ketwall dem Bootsführer mit ein paar Silberlingen übergeben, damit er es auch tatsächlich überbrachte. Als er die Münzen abzählte, durchfuhr ihn plötzlich ein schrecklicher Gedanke: Er hatte bei all der Aufregung Tristan vergessen! Wie konnte ihm das nur unterlaufen sein! Er hatte Tristan versprochen, nach dem concilium auf ihn zu warten, ihn mitzunehmen und in Seaford abzusetzen, damit er auf schnellstem Wege nach Tintajol zurückkehren konnte und noch vor Marke und Isolde auf der Burg wäre. Nun, durch seinen Fehler, befand sich Tristan in der Gefahr, bei der Ankunft der Herrschaften nicht dort zu sein und gar erst Tage später auf Tintajol einzutreffen. Benedictus stöhnte vor Pein und fasste sich an den Kopf. Was hatte er nur getan!
Doch das Schicksal hatte längst entschieden. Ein Umkehren, um Versäumtes wiedergutzumachen, war ausgeschlossen. Er konnte nur noch eines tun: Gott um seine Hilfe bitten und für seinen Frevel büßen. Deshalb erlegte er sich selbst als Strafe auf, die ganze Fahrt über bis nach Ketwall knieend und betend zu verbringen. Auch versagte er sich jegliches Essen und Trinken und befahl dem Bootsführer unter Androhung von Strafen, dass er sich von ihm niemals aus Mitleid dazu überreden lasse, ihm die Selbstbuße zu erleichtern.
Von Stund an hielt sich Benedictus an sein Gelöbnis. Er betete und betete. Bis zum Ende des ersten Reisetages bat er Gott, für Tristans Rettung zu sorgen. Danach schloss er Isolde in seine Gebete ein, erweiterte sie durch Fürbitten für Markes ehrenvolle Gesinnung und gelangte schließlich sogar bis zu Königin Isolde von Erui, um deren Bekehrung zur Frömmigkeit er den Himmel anflehte. Am Ende aber hatten seine Stoßgebete nur noch ein einziges Thema: Gott möge ihm zu essen und zu trinken bringen. Erst bat er um Wasser und Brot, sprach von Hunger und Durst. Dann erweiterte er die Auswahl der Speisen durch Käse, geräuchertes Fleisch und einen Becher Bier. Schließlich langte er bei gebratenem Hammel an, bei Honigkuchen und Krügen voll dunkel angesetzten Bieres. Da war er schon so entkräftet, dass er sich längst nicht mehr auf den Knien halten konnte. In gekrümmter Haltung lag er auf dem Schiffsboden und murmelte nur noch vor sich hin.
Wie froh war der Kapitän, als sie Ketwall erreichten und er den, wie er annahm, inzwischen irre gewordenen Mönch an Land schleppen konnte. Doch kaum saß Benedictus auf dem mit Kieseln übersäten Strandstück, schien er wie aus einem Traum erwacht. Herrisch befahl er, sämtliche Güter von Bord zu schaffen, übergab den Brief an die Königin von Erui, belegte den Schiffsführer mit einem Gottesfluch, sollte er ihn nicht abliefern, zählte ihm die Münzen in die Hand und verabschiedete sich auf Nimmerwiedersehen. Benedictus wartete noch, bis das Schiff wieder abgelegt hatte, dann suchte er sich zwischen den an Land aufgestapelten Kisten und Säcken einen Platz zum Schlafen. Die nächsten zwei Wochen, beschwichtigte er sich, würde er kein einziges Gebet mehr
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