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Tristan

Tristan

Titel: Tristan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Grzimek
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kleinen Schar von Rittern. Die Barone hielten sich in ihren Kemenaten auf, um sich auf die Versammlung, die noch am selben Abend stattfinden sollte, vorzubereiten.
    Der Empfang war förmlich und herzlich zugleich. Mit keinem Wort ging Marke darauf ein, dass Isolde allein nach Seaford gereist war, ohne ihn davon in Kenntnis zu setzen. Stattdessen erwähnte er lediglich das Unwetter, von dem er gehört hatte, und hoffte, dass dabei niemand zu Schaden gekommen sei. -»Nun aber zu dir, mein lieber Neffe«, wandte er sich an Tristan. »Wieder einmal hast du durch deine Taten den Ruhm unseres Hofes vermehrt. Dafür gebührt dir unser aller Dank!« Marke schloss noch einige solcher wohlklingenden Sätze an und forderte dann dazu auf, dass man ins Haus gehe. Er wandte sich um, stand zwischen Isolde und Tristan und schien nicht recht zu wissen, wie er sich verhalten sollte. Da er jedoch seine Frau liebte und seinen Neffen verehrte und beiden gleichermaßen Treue schuldig war, nahm er sie wie Kinder zu seiner Rechten und Linken bei den Händen und führte sie zuerst in den großen Speisesaal. Dort trat ihnen als Erster der Truchsess mit Verbeugungen entgegen und wollte von Tristan sogleich erfahren, mit welcher List er das Ungeheuer Urgân besiegt habe.
    Tristan war froh, dass er durch seinen Bericht anscheinend nicht nur Marke aus seiner nachdenklichen Stimmung befreien konnte, sondern wählte auch besonders bilderreiche Beschreibungen, um Isolde aufzumuntern, da er spürte, dass sie über den kühlen Empfang durch Marke missgestimmt war. Schließlich gelangte er bei der Geschichte mit dem Hündchen Petitcrue an und wollte wissen, was aus ihm geworden war.
    »Wo ist Petitcrue?«, fragte Tristan, sich an Isolde wendend.
    »Was weiß ich«, sagte Isolde verdrossen. »Bei irgendeiner Magd in irgendeiner Hütte. Ich habe ihn verschenkt.«
    »Und das Glöckchen?« Tristan war erschrocken.
    »Es hat mich im Schlaf gestört. Ich hab’s ihm vom Hals schneiden lassen. - Marjodô und du«, wandte sie sich plötzlich an Marke, »ihr habt euch köstlich daran erfreut, es erklingen zu hören. Mehrmals habe ich euch dabei zugeschaut, wie ihr es vor fremden Leuten auf dem Tisch habt herumtanzen lassen. Ich stand an der Türe, ihr habt mich gar nicht beachtet. Aber es war mein Hund, sein Geschenk an mich!« Sie sah Tristan an, und obwohl sie bei ihren Worten voller Zorn schien, blickte sie ihm so liebevoll in die Augen, dass Tristan wegschauen musste. Um von sich abzulenken, beteuerte er, wie wertvoll dieses Geschenk war, das er Gilan abgerungen habe. »Eine Grafschaft hat er mir als compensatiön dafür geboten, stellt euch vor!«
    Marke interessierte das alles nicht. Er sah die Blicke zwischen den beiden, erhob sich und befahl den Wachen, die Barone in den Versammlungsraum zu bringen.
    »Muss das jetzt sofort geschehen?«, fragte Isolde. »Ich will mich erst noch umkleiden!«
    »Das ist nicht nötig! Steht auf und kommt mit, die Versammlung wird nicht lange dauern!«
    Marke klang so entschieden, dass keiner wagte, ihm etwas zu entgegnen. Da Tristan wusste, wie ungern der König solche Zusammenkünfte mit seinen Baronen abhielt, schob er dessen Gereiztheit auf seine Unzufriedenheit mit Isoldes eigensinnigem Verhalten und schloss sich auf dem Weg zum Saal Marjodô an. Er erklärte ihm, wie sehr er den Tod des Knappen Kilian bedauere. Der Truchsess sagte daraufhin mit gesenktem Kopf, ein Opfer müsse es immer geben, und fing an, sich in Gedanken darüber zu verlieren, was Zufall und was Notwendigkeit für ein Menschenleben bedeuten könne.
    Da hatten sie schon den Saal erreicht, der sich schnell mit den Geladenen füllte. Den Baronen war versprochen worden, nach der Bekanntgabe des Königs werde ein opulentes Essen gereicht. Durch die Türen zog bereits der köstliche Duft von gebratenem Fleisch von Lämmern und Hühnern, die man draußen auf dem Hof an Spießen über offenen Feuern drehte. Als alle Plätze besetzt waren, eröffnete Marke die Conference. Es gebe nur ein einziges dictum, das zu beraten nicht einmal notwendig wäre, sondern nur zu verkünden sei. Es betreffe die Königin und seinen Neffen, Sir Tristan.
    Im Saal trat sogleich Schweigen ein. Isolde und Tristan sahen sich erschrocken an.
    »Ich lasse hiermit verlauten und feststellen« - Marke war aufgestanden, blickte sich nach dem Schreiber um, der seine Worte festhalten sollte, und erhielt von dem hinter ihm sitzenden Mönch als Antwort ein Kopfnicken - »ich verkünde also,

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