Tristan
Wachsoldaten zusammen, um mit ihnen an die Küste zu reiten. Er setzte sich an die Spitze des Trupps, ließ das Pferd tänzeln und fühlte sich schon bei dem bloßen Gedanken belohnt, wie er den »verlorenen Sohn« nach Hause bringen würde. Endlich hätte der Spuk ein Ende.
Yellas Ausritt ~77~ Rual kehrt zurück
Yella war mit den Wachen kaum aus der Burg heraus und nach Westen geritten, da näherte sich von Süden her Rual mit seinen Reitern und einem Gast, der eine Mönchskutte trug. Sie ritten in die Burg ein, doch die Nachricht von der Rückkehr des Marschalls hatte sich schon längst verbreitet, und so wartete Floräte im Hof auf ihren Mann. Sie war glücklich, ihn wiederzusehen. Rual strahlte sie an.
»Ich habe es geschafft«, sagte er in seiner ruhigen Art, konnte aber seine Freude kaum verbergen, »ich habe den Besten zu uns nach Conoêl geholt. Tristan wird einen Lehrer haben, wie es weit und breit keinen zweiten gibt.«
Inzwischen war der Mönch vom Pferd gestiegen und trat auf Floräte zu. Er war groß gewachsen, hatte ein schmales, gleichmäßig geformtes Gesicht und ruhige Augen, deren Blick wohlwollend auf dieser angenehm anzusehenden Frau ruhten. Die beiden mochten sich sofort, und Floräte wusste, dass Rual eine gute Wahl getroffen hatte. Sie begrüßte den Mönch, und dabei nannte Rual zum ersten Mal seinen Namen.
»Das ist Bruder Courvenal«, sagte er. »Du wirst dich an ihn gewöhnen müssen, denn von nun an wird er hier bei uns wohnen und Tristan unterrichten. - Wo ist der Junge?« Rual blickte sich demonstrativ um, obwohl er schon die ganze Zeit nach ihm Ausschau gehalten hatte.
»Von Herzen willkommen auf Conoêl!«, sagte Floräte mit einer leichten Verbeugung. Sie wusste, dass das nicht nötig gewesen wäre, aber es ging ihr um Tristan, dessen Erziehung sie nun in die Hände dieses Fremden legen würde. Sie wollte, dass er vom ersten Moment an einen guten Eindruck von dieser Burggemeinschaft erhielt. Andererseits konnte sie nicht verbergen, wie besorgt sie um den Jungen war, wie verärgert über sein ständiges Versteckspielen. »Tristan ist wieder einmal verschwunden«, sagte sie und fügte, ihren leisen Zorn abmildernd, hinzu: »Wie das eben so ist bei einem Jungen in seinem Alter.«
Diese Ausrede hatte Rual nun schon so oft gehört, dass er sich nicht zurückhalten konnte nachzufragen: »Du weißt also wieder einmal nicht, wo er sich aufhält?«
»Nein, Yella sollte sich ja um den Jungen kümmern.« Da kam Linnehard über den Hof hinzu, begrüßte den Marschall und den Mönch und wurde gleich darauf von Rual gefragt: »Was ist mit Yella?«
»Er ist gerade eben mit einem Trupp zur Küste geritten, weil dort Fremde gesehen wurden.«
»Ich denke, er kümmert sich um Tristan?«
»Er tat sehr geheimnisvoll, die ganzen letzten Tage schon.«
»Yella, Yella!« Rual mochte den Burschen nicht sonderlich. »Fremde an der Küste? Mir wurde von meinen Waldläufern auf dem Weg hierher nichts davon berichtet.« Rual sprach mehr zu sich selbst, aber Linnehard spürte die Zweifel und brachte zum ersten Mal »die Fremden« mit Tristan in Verbindung und zugleich die Neugier Yellas auf den geheimen Ausstieg aus der Burg. Voller Scham darüber, dass er die Verbindung bis zu diesem Moment nicht gesehen hatte, berichtete er Rual davon, und der Marschall reagierte darauf mit Entsetzen.
»Das könnte bedeuten, dass Tristan den Ausstieg gefunden hat, dass Yella davon weiß, dass er den Jungen stellen will, dass hier alles in allem einiges ganz anders ist, als wir es uns vorstellen.« Er sah Courvenal an, doch der runzelte nur die Stirn.
Da fasste Rual den Entschluss, Yellas Truppe zu verfolgen. Von den Burgwachen ließ er sich unterrichten, in welche Richtung sie gezogen war, ließ sich ein frisches Pferd geben und bat Floräte, sich um Bruder Courvenal zu kümmern. Doch der lehnte ab und bestand darauf, Rual zu begleiten.
»Es könnte ja sein«, sagte Courvenal, »dass es tatsächlich um Tristan geht. Dann wäre es gut, wenn ich dabei bin und ihn kennenlerne - und er mich.«
Yella beobachtet ~78~ und wird beobachtet
Yella erreichte mit seinem Trupp die Klippen. Er ließ die Leute absitzen und ging allein nach vorn an den Rand der Felsen. Unten am Meer sah er sie spielen: Tristan und das Mädchen. Sie hatten offensichtlich Köder auf dem Strand ausgelegt bei den Felsen, die als Klippen ins Meer ragten. Die Möwen kreisten darüber und stießen vereinzelt auf die Futterstückchen
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