Tristan
Händen seinen Kopf festzuhalten und hörte seinen Magen knurren. Alle Angebote seines Lehrers, doch noch ein Stück Fisch zu probieren, schlug er aus.
»Tapfer«, sagte Courvenal später im Zelt, als sie nebeneinanderlagen und er wusste, dass Tristan nur so tat, als würde er schlafen. »Tapfer, aber nicht sehr klug. Iss wenigstens noch ein Stück von dem Fladenbrot, das uns die Bäuerin heute Mittag verkauft hat, sonst hast du eine unruhige Nacht.«
Tristan hörte die Worte, spürte ihre Wahrheit, fühlte seinen Hunger, aber er schwieg. Er hörte, wie Courvenal zu schnarchen begann, und stand auf. Draußen vor dem Zelt gewöhnten sich seine Augen langsam an die Dunkelheit, die nur vom Licht des Halbmonds erhellt wurde, wenn die Wolken für kurze Zeit aufrissen, bis sie sich wieder vor die weiße Scheibe am Himmel schoben. Er lauschte dem Zirpen der Grillen und den Geräuschen von Tieren, die er nicht einordnen konnte, Gefiepe und Geschnatter, und dem Rascheln des Laubs im Wind.
Plötzlich vernahm er Stimmen, es wurde leise gesprochen, fast flüsternd. Verstehen konnte er nichts, doch deutlich hörte er kehlige Laute, unterschied »Ouhs« und »Aahs« und ein kurzes, bellendes Husten, ein Zischeln und im Gaumen und an den Zähnen erzeugte Geräusche. Schnell schlich er ins Zelt und legte seine kleinen Hände auf Courvenals geöffneten Mund. Courvenal röchelte, dann wachte er auf, und Tristan flüsterte dicht an seinem Ohr: »Da draußen ist jemand. Ich habe Stimmen gehört!«
Geräusche der Nacht ~98~ Der Überfall
Courvenal war schnell auf den Beinen und verließ mit Tristan das Zelt. In den dahinter wachsenden Büschen versteckten sie sich. Wenig später bedeckten nur noch dünne Wolken den Mond, und im fahlen Licht, das er auf die Böschung und das Zelt warf, sahen sie drei Gestalten in knielangen Mantelkleidern, die sich vorsichtig dem Schlafplatz näherten und ihre kurzen Schwerter mit breiter Klinge in den erhobenen Händen hielten. Wie aus einer Kehle schrien sie plötzlich gellend auf, stürzten sich auf die Zeltplane und hieben darauf ein wie auf den Teufel, der in einem Sack steckte. Ihre Gesichter waren von Kapuzen verdeckt, ihre Schuhe hatten rot-gelbe Schnallen und an den Hacken blitzende Sporen - mehr konnte Tristan durch das Blätterwerk hindurch nicht erkennen. Wie gelähmt hockte er an der Seite von Courvenal und umklammerte dessen Knie.
Die Gestalten hieben immer noch auf das Tuch ein, als der Mond wieder hinter einer undurchdringlichen Wolke verschwand. Da trat mit einem Mal Ruhe ein, nur das heftige Atmen der Männer war noch zu hören, bis einer von ihnen sagte: »Chell hegaton.« Eine andere Stimme schien darauf einen Fluch auszustoßen, und wieder fuhr ein kurzes bellendes Husten dazwischen. Nun schlug eines der Schwerter gegen einen Stein, ein paar Funken blitzten auf, wieder schien jemand zu fluchen, und erneut war das Husten zu vernehmen. Laub raschelte, es wurde in einer fremden Sprache gesprochen, die Stimmen entfernten sich, ein Pferd wieherte, und Hufe klapperten auf hartem Boden.
Es wurde still. Tristan hörte die nächtlichen Geräusche des Waldes und die sich leise aneinanderreihenden Blätter. Er und Courvenal blieben noch lange in angespannter Haltung hocken, bis sich der Mönch schließlich auf den Boden legte, Tristan zu sich herunterzog und seinen Kopf auf seine Brust drückte.
»Schlaf jetzt!«, flüsterte er.
Tristan hatte die Augen weit geöffnet. Er konnte nun das Pochen in der Brust Courvenals hören, ein heftiges, lautes Pochen. Er schmiegte sich eng an den Körper, der säuerliche Geruch von Schweiß stieg ihm in die Nase, und er schloss seine Augen erst, als Courvenals Hand über seinen Kopf strich. So schlief er ein, und als er wieder erwachte, hatte er das Gefühl, sich verirrt zu haben.
Unverständliches ~99~ Verstehen
»Sie haben uns getötet!« Courvenals lauter Ausruf brachte den Jungen zu sich selbst zurück. »Sie haben uns tatsächlich mit ihren Schwertern in Stücke gehauen - wir sind mausetot!« Diesmal überschlug sich Courvenals Stimme, und ihr folgte ein unbändiges Gelächter, aus dem heraus er rief: »Wach auf, Tristan, komm her, sieh dir das an!«
Tristan kroch aus dem Versteck, alle Knochen taten ihm weh, und er ging mit steifen Beinen dorthin, wo sein Lehrer stand. Der Mönch lachte noch immer und zeigte auf den Platz, auf dem ihr Zelt gestanden hatte. Tristan starrte auf eine völlig zerrissene und zerschnittene Tuchbahn,
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