Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
die Augen übergingen. »Ach nö! Nicht schon wieder Trix Solier! Deine Wünsche habe ich längst erfüllt!«
»Hast du nicht!«, entgegnete Trix. »Ich finde dich nämlich erst in einer Woche!«
»Eben«, fauchte Kitap. »Was machst du also schon hier? Menschen können nicht durch die Zeit reisen!«
»Aber Drachen schon!«, rief Trix aus. »Und Dschinn vermutlich auch.«
»Uns Dschinn lässt die Zeit völlig kalt!«, verkündete Kitap stolz. »Vergangenheit oder Zukunft – wir bewegen uns im einen wie im anderen. Denn wir leben in unserer eigenen Zeit!«
»Ich habe drei Wünsche«, sagte Trix. »Die du mir erfüllen musst!«
»Nein! Die habe ich schon erfüllt! Vielmehr, ich erfülle sie demnächst!«
»Also hast du sie jetzt noch nicht erfüllt?«, hakte Trix nach.
»Das ist ein verzwickter Fall«, stimmte Kitap seufzend zu. »Willst du Beschwerde beim Rat der Dschinn einreichen?«
»Wie lange müsste ich auf Antwort warten?«
»Oh, lediglich fünf Minuten in unserer Zeit.« Trix sah den Dschinn unverwandt an, bis dieser schließlich murrte: »Ein, zwei Wochen in eurer.«
»Das ist zu lang.«
»Eben!«, meinte Kitap grinsend.
»Vergessen wir das Thema«, mischte sich Tiana jetzt ein. »Gelten meine Wünsche noch?«
»Aber gewiss doch«, beteuerte Kitap. »Was wünschst du, schöne Herrin? Ich habe ein wunderbares Ballkleid aus weißer Seide, das ist mit weißen Perlen besetzt und hat genau deine Größe.«
»Dann zieh es doch selbst an!«
»Ist das etwa ein Befehl?«, jaulte Kitap auf.
»Oh nein«, antwortete Tiana. »Solltest du jedoch wieder mogeln, wirst du bis ans Ende aller Zeiten in einem Kleid herumlaufen!«
Kitap wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Versetzt euch doch mal in meine Lage, Leute!«, wechselte er in einen wesentlich weniger arroganten Tonfall. »Ich bin ein gewöhnlicher Dschinn. Aus gutem Hause. Meinen Lehrern mache ich nur Freude. Aber bei uns gelten bestimmte Regeln! Und die zwingen mich nun mal dazu, euch übers Ohr zu hauen.«
»Ein weißes Kleid mit Perlen«, murmelte Tiana. »Wie das wohl deine Hüften umschmeicheln würde?«
»Vergiss es!«, brauste der Dschinn auf. »Da würde man mich doch Jahrtausende lang auslachen!«
»In dem Fall erwarte ich, dass du meine Wünsche ehrlich erfüllst«, erklärte Tiana. »Und glaub ja nicht, dass du mich leichter austricksen kannst als einen Jungen. Geh lieber vom Gegenteil aus!«
»Das tu ich bereits«, gab Kitap zu. »Was willst du?«
»Lass uns vorab eine Sache klarstellen: Meine Worte sind nur dann ein Wunsch, wenn ich sie mit den Worten ›Und das ist mein Wunsch!‹ abschließe.«
»Dein Wunsch sei mir Befehl!«, rief Kitap. »Damit wäre der erste Wunsch erledigt! Bleiben noch zwei!«
»Einverstanden«, sagte Tiana gelassen. »Mir war klar, dass du diese Vorlage annimmst. Damit hast du aber hoffentlich dein Schummelsoll abgearbeitet.«
»Du bist wirklich nicht dumm, Herrin!«, begeisterte sich Kitap. »Gut, ich gebe dir mein Wort, dass ich die beiden anderen Wünsche ehrlich erfülle.«
»Wir wollen etwas über die Natur der Kraft von Abrakadasab wissen«, sagte Tiana. »Er ist auch als Mineralisierter Prophet bekannt. Wir müssen das wissen, damit wir ihn besiegen können. Und das …«
»Halt, halt, halt!« Kitap fuchtelte wild mit den Händen. »Wünsch dir nichts, das ich nicht erfüllen kann!«
»Soll das heißen, du weißt es nicht?«, fragte Tiana ungläubig. »Die Menschen wissen es nicht, die Drachen wissen es nicht – und auch die Dschinn nicht?«
»Dem zieh ich den Besen über!«, knurrte Derrick. »Genau wie wir’s gelernt haben: eins in die Seite, Drehung, dann in den Bauch …«
»Warte!«, verlangte Tiana. »Er will es uns ja erklären.«
»Ich …«, Kitap zitterte am ganzen Körper, »… ich … ich weiß es schon. Wir Dschinn wissen alles, das ist unsere Natur. Aber … hier kommt die vierte Regel zum Tragen …«
»Welche vierte Regel?«, fuhr ihn Trix an. »Bisher war nur von dreien die Rede: Du darfst keine Allmacht oder magischen Kräfte verleihen, du kannst die Toten nicht wiederauferstehen lassen und du darfst niemandem Verstand und Gefühle einflößen.«
»Die vierte Regel ist geheim«, gab Kitap zu. »Mit der rücken wir nur raus, wenn eine konkrete Gefahr droht. Wir Dschinn bewahren das Gleichgewicht. Wir sind nicht dafür und nicht dagegen. Wir sind nicht gut und nicht böse. Deshalb sorgen wir dafür, dass das Gleichgewicht in der Welt der Menschen aufrechterhalten
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