Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
Lavaströme purpurn funkelten. Dann mussten sie eine Brücke überqueren, die über ebendiesen Abgrund führte, ziemlich brüchig wirkte und kein Geländer hatte. Zwei Mal mussten sie auf allen vieren kriechen, so tief hing die Steindecke, ein Mal sogar robben. Zum Glück trug Tiana an diesem Tag ihre Assassinen-Kleidung, nicht das von den Zwergen so bestaunte weiße Kleid, das sich bei diesem Unternehmen kurzerhand in ein zerrissenes, schwarzes Kleid verwandelt hätte – und das dürfte bestimmt in keiner Gnomenüberlieferung auftauchen.
Nach der Kraucherei ging es jedoch leichter vorwärts. Schon bald gelangten sie in eine große Höhle, in der zwei riesige Bronzestatuen Licht spendeten. Auch sie stellten Nixen dar, nur eben fünf Meter hohe. Die Seejungfrauen standen grazil auf ihren Fischschwänzen und hielten in einer Hand eine brennende Gasfackel. Mit der anderen bedeckten sie verschämt ihre bloße Brust. Die eine Nixe lächelte, die andere wirkte traurig.
»Diese Statuen dienen dem praktischen Zweck, den Nixensee zu beleuchten«, flüsterte Gruja, »geben aber auch gleichzeitig unserer Verehrung für die unterirdischen Zauberinnen Ausdruck. Dabei symbolisieren die zwei Seejungfrauen die beiden Seiten der Magie, die fröhliche und die traurige.«
Unmittelbar hinter den Skulpturen lag der See. Auf den ersten Blick unterschied er sich durch nichts von anderen unterirdischen Seen: ein sauberes, unvermülltes Ufer und so kristallklares Wasser, dass es selbst bei Licht nicht gleich auffiel. Es wogte leicht und liebkoste den hellen, sauberen Sand. Als Trix seine Hand hineinsteckte, wunderte er sich, wie kalt es war, gar nicht wie das Wasser in dem See, in dem sie nach der Rutschpartie gelandet waren.
»Das ist unser Lager.« Gruja wies auf zwei Zelte zwischen den Statuen. Diese machten mit ihren Metallgerüsten einen recht stabilen Eindruck und waren auf einer mit Stein ausgelegten Fläche errichtet worden. »Die Jungen nehmen das linke, die Mädchen das rechte.«
»Ginge es auch andersherum?«, fragte Hallenberry.
»Ja«, antwortete Gruja. »Es gibt keinen Unterschied zwischen den Zelten.«
»Dürften wir drei vielleicht in ein Zelt?«, bat Tiana. »Ich weiß ja, dass sich das eigentlich nicht gehört, aber Hallenberry ist mein Bruder und Trix … Trix ist ein alter und treuer Freund! Und ihr Frauen geht sowieso alle in das andere.«
Gruja sah Tiana prüfend an und nickte schließlich. »In Ordnung. Macht euch frisch. In einer Stunde rufen wir die Nixe.«
Trix, Hallenberry und Tiana packten ihre Sachen aus (wobei Tiana zunächst einmal den Kampfbesen zum Einsatz brachte und das Zelt ausfegte). Das geräumige Zelt bot Platz für zehn Matratzen, so dass sie sich ungehemmt ausbreiten konnten.
»Es wäre wirklich höchst erfreulich, wenn die Nixe uns das Zaubern beibringen könnte«, überlegte Trix laut. »Wir würden zu den größten Magiern der Welt werden und das Schicksal der Welt zum Besseren wenden.«
»Und wenn dabei genau das Gegenteil herauskäme?«, fragte Tiana.
»Wir sind ja wohl weder Schurken noch Dummköpfe! Selbst als allmächtige Zauberer hätten wir nicht die Absicht, gegen andere Länder zu kämpfen oder die ganze Welt zu beherrschen. Wir würden die Magie auch nicht für unsere persönlichen Zwecke einsetzen! Sondern nur für gerechte Gesetze sorgen, das Böse ausrotten und die Vitamanten bestrafen.«
Tiana nickte beruhigt.
»Klaro! Aber könnte ich nicht wenigstens ein ganz klein bisschen die Jungs bestrafen, die mich in Dillon immer geärgert haben?«, fragte Hallenberry.
»Wenn du es nicht übertreibst«, räumte Trix ein.
»Ich würde auch gern jemand bestrafen«, brachte Tiana hervor. »Natürlich nur sehr milde. Für den Versuch, mich mit einem Vitamanten zwangszuverheiraten!«
»Das würde ich auch gern«, gab Trix zu.
Einige Zeit schwiegen alle und dachten über ihre künftigen Möglichkeiten nach.
»Aber noch sind wir ja keine allmächtigen Zauberer«, sagte Trix irgendwann. »Und falls wir das nicht werden, sollte die Nixe wenigstens die Fragen der Zwerge beantworten. Vielleicht finden wir ja heraus, warum Gnome nicht zaubern können. Wenn wir das schaffen, helfen sie uns mit ihren Kampfgolems und einer Gnomeneinheit! Und mit denen werden wir Abrakadasab schon besiegen!«
Die Nixe wurde in einer regelrechten Zeremonie herbeigerufen. Gruja öffnete eine große Tasche, die sie aus der Stadt mitgebracht hatte. Sie war mit einer glitzernden Silberfolie ausgekleidet –
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