Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
wenig. Aber Tiana und Klaro nicht. Und wir würden diese Zauberkunst gern bei dir lernen … liebe Nixe.«
»Euer Wunsch ist verständlich«, erwiderte die Nixe. »Glaubt mir, ihr lieben Menschenkinder, ich erfülle eure Bitte gern. Aber haltet euch vor Augen, dass wir schon seit vielen Jahrhunderten versuchen, den Gnomen, die hier leben, diese Kunst beizubringen. Doch bis heute hat sie nicht einer von ihnen erlernt.«
»Du hast sie aber einem Menschen beigebracht, der aus der Wüste zu euch gekommen ist. Abrakadasab.«
»Stimmt, ich habe den Mineralisierten Propheten in unserer Kunst unterwiesen«, sagte die Nixe. »Aber das heißt nicht, dass ihr sie auch lernen werdet.«
»Lassen wir es auf einen Versuch ankommen!«, mischte sich Tiana ein.
»Dann solltet ihr jedoch wissen, dass wir selbst nicht verstehen, warum wir eigentlich zaubern können«, gestand die Nixe. »Uns steckt die Magie einfach in Fleisch und Blut. Wir zaubern und fertig. Die Gnome zaubern – und es kommt nichts dabei heraus. Aber gut, versuchen wir es, ich bin selbst gespannt.«
Trix spitzte beide Ohren.
»Bevor man mit einem Zauberspruch beginnt«, sagte die Nixe, »muss man mit dem Schwanz wedeln.«
Sie ließ ihren Schwanz geräuschvoll aufs Wasser klatschen.
»Aber das können wir nicht!«, brauste Tiana auf. »Wir haben keinen Schwanz!«
»Den hatte Abrakadasab auch nicht«, erwiderte die Nixe grinsend. »Das war ein Scherz! Aber Spaß beiseite. Was ist Magie?«
»Es sind Worte«, antwortete Trix. »Wenn ein Mensch … oder jemand anders … seinen Wunsch in einer schönen und ungewöhnlichen Weise formuliert, dann reagiert das Universum darauf und erfüllt ihm diesen Wunsch. Und je schöner die Worte, je ausgefallener die Form, desto stärker der Zauber.«
»Richtig«, bestätigte die Nixe. »Das ist die Grundlage jeden Zaubers. Wollt ihr vielleicht ein paar erfrischende Getränke?«
In Trix’ Hand erschien ein prachtvoller Kristallpokal mit schäumendem Zitronenwasser.
»Das ist unmöglich!«, rief Trix aus.
»Warum?«, fragte die Nixe verwundert.
»Weil man nicht einfach sagen kann: ›Wollt ihr vielleicht ein paar erfrischende Getränke?‹! Man muss das Gewünschte erst sorgfältig beschreiben, noch dazu in gefälliger Weise, so, dass der Zauberer selbst, alle Anwesenden und das Universum es sich bildlich vorstellen können. Und nur wenn diese Worte nicht abgenutzt sind, klappt der Zauber. Mal besser, mal schlechter.«
»Du wiederholst dich«, bemerkte die Nixe. »Außerdem begreife ich nicht, was das mit meiner Zauberei zu tun hat.«
Trix stürzte das Getränk hinunter – es war kalt, ein wenig sauer und sehr lecker.
»Der erste Magier in der Welt konnte noch sagen: ›Wollt ihr nicht eine Kirsche?‹«, setzte Trix erneut zu einer Erklärung an. »Dann erschien tatsächlich eine saftige Kirsche! Aber damit verloren die Worte ihre Kraft! Beim nächsten Mal war die Kirsche unreif oder wurmstichig. Und beim übernächsten Mal tauchte sie überhaupt nicht mehr auf.«
»Warum nicht?«, fragte die Nixe geduldig.
»Weil die Worte ihre Kraft verloren hatten! Ein Zauberspruch, der haargenau wiederholt wird, versagt.«
»Seit Anbeginn der Zeiten flüstern die Jungen den Mädchen zu: ›Ich liebe dich!‹«, hielt die Nixe dagegen. »Diese Worte haben sich doch auch nicht abgenutzt, im Gegenteil, wenn es sie nicht gäbe, würde allen etwas fehlen! Nein, jedes Mal schlägt das Herz des Mädchens schneller und die magische Flamme der Liebe lodert auf!«
»Das ist nicht ganz das Gleiche!«, widersprach Trix. »Die Liebe ist natürlich auch eine Form von Magie. Aber eben eine andere. Sie schafft nichts Neues!«
»Gerade die Liebe schafft etwas Neues!«, belehrte ihn die Nixe. »Ein so großer Junge wie du sollte doch wohl wissen, dass Kinder nicht im Kohl wachsen!«
»Wir reden hier über Magie! Über Zauberkunst!«, sagte Trix. »Pass auf! Vor mir erscheint ein schöner Holztisch!«
Natürlich tat sich rein gar nichts.
»Es hat nicht geklappt«, stellte die Nixe fest.
»Weil die Worte abgenutzt sind! Deshalb …« Trix dachte kurz nach. »Die Luft vor mir trübt sich ein und scheint dicker zu werden. Zunächst bildet sich eine Tischplatte, die rund und mit Perlmutteinlagen verziert ist, dann entstehen drei kunstvoll beschnitzte Beine. Und schon steht ein kleiner, wunderschöner Tisch im Sand an dem unterirdischen See!«
Die Tisch tauchte auf. Er war nicht ganz so schön wie gewünscht und die Intarsien saßen schief.
Weitere Kostenlose Bücher