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Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx

Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx

Titel: Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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gute Sache!«
    »Manchmal ist er das auch«, erwiderte Karim. »Nur mal angenommen, ich würde meinem Vater Geld stehlen, um mir Süßigkeiten zu kaufen. Wenn mein Vater das nicht merkt, sind alle zufrieden. Aber wenn er dahinterkommt, vergisst er sich, ich kriege Prügel, dass ich drei Tage lang nicht laufen kann, und unsere Nachbarn frohlocken: Seht nur, der Kaufmann Wasab ist von seinem eigenen Sohn hintergangen worden!«
    »Bei uns ist das alles etwas anders«, bemerkte Trix bloß.
    Inzwischen hatte er genug vom Sklavenmarkt, denn im Grunde unterschied er sich nicht von jedem anderen Basar, wo die Leute ebenfalls eine geschlagene Stunde um den Preis für ein paar Tomaten feilschten.
    Doch dann schnappte Trix etwas auf, das ihn zusammenzucken ließ.
    »Junger Sklave aus dem Königreich! Helle Haut, Haar von einem nie gesehenen Kupferton! In vorzüglichem Zustand! Ungeschlagen! Kaum Wegverschleiß, da er im Karren hergebracht wurde! Alle Zölle bezahlt!«
    »Ich hab’s ja gewusst«, stieß Karim aus. »Wären wir bloß nicht hergekommen!«
    Sobald sich Trix durch die Menge drängelte, richteten sich die Blicke taxierend auf ihn. Mit selbstgewissem Auftreten machte er den Samarschanern jedoch klar, dass er nicht zum Verkauf stand.
    Der Händler, der irgendwie an den Kaufmann Wasab erinnerte, pries weiter seine Ware an: »Für Feldarbeit geeignet! Gute Hilfe in Haus und Laden! Kann lesen, schreiben und rechnen. Im Schwertkampf ausgebildet!« Als er Trix sah, stockte er kurz, um sogleich zu säuseln: »Der alte humanistische Brauch unseres Volkes gewährt einem Landsmann das Vorrecht beim Kauf eines Sklaven!« Daraufhin trat er zur Seite, um Trix den Sklaven zu präsentieren.
    »Ian?«
    Der magere, rothaarige Junge mit einem beachtlichen Veilchen unter dem rechten Auge blinzelte mehrmals hintereinander. »Trix?«, fragte er ungläubig zurück.
    »Oh Wunder!« Der Händler reckte die Arme zur Decke. »Oh Freude! Zwei Brüder, die sich in der Fremde wiederfinden! Dem einen hat das Schicksal die Schande der Sklaverei und das Ungemach fremder Lande auferlegt! Der andere genießt Freiheit und Reichtum, weilt als Gast im prächtigen Samarschan! Nach Jahren begegnen sie einander wieder, eine Szene, der Feder eines Poeten würdig! Wird ein Bruder den anderen retten?«
    »Wir sind keine …«, setzte Trix an, doch der Händler spann sein Garn bereits weiter: »Der eine wie der andere Sprössling eines reichen Kaufmanns aus dem Norden, geboren von den beiden Lieblingsfrauen des Mannes, verbrachten sie die Kindheit in gemeinsamem Spiel. Den einen ließ die Suche nach Abenteuern zum Knappen werden, der andere, die Stütze seines Vaters, wurde Kaufmann und begab sich nach Samarschan. Doch wen findet er hier? Seinen lang vermissten Bruder, der in der Fremde in Gefangenschaft geraten war!«
    Den Samarschanern traten Tränen in die Augen, der eine oder andere schniefte ergriffen.
    Entsetzt spürte Trix, wie selbst in ihm aberwitzige Bilder aufstiegen: Sein Vater war nicht länger der Co-Herzog Rett Solier, sondern ein dicker Kaufmann mit Bart. Zusammen mit dem kleinen, rothaarigen Ian spielte er, Trix, vorm Kamin mit Ritterfiguren. Beim nächsten Bild war Ian älter und schlich sich nachts aus dem Haus, nachdem er Trix geweckt und ihm zugeflüstert hatte, er wolle Ritter werden. Er selbst half dem Vater im Laden …
    »Ian! Bruderherz!«, entfuhr Trix gegen seinen Willen ein Schrei. »Erkennst du mich denn nicht?« Daraufhin stürzte er auf Ian zu und schloss ihn in die Arme.
    »Doch!«, beteuerte Ian, der Trix ebenfalls fest umarmte. »Trix! Mein Bruder!«
    Und dann dämmerte Trix die Erkenntnis: Ohne es selbst auch nur zu ahnen, war der Sklavenhändler ein Zauberer. Indem er sein Publikum von seiner Geschichte überzeugte, veränderte er die Realität. Hätte er nur noch ein wenig weiterfabuliert, wäre Trix kein Zauberer und Herzogssohn mehr, sondern Erbe eines Kaufmanns. Immerhin erinnerte er sich bereits an die Karawane, mit der er nach Dachrian gekommen war, acht Kamele, von denen eins zu lahmen angefangen hatte, so dass er es hatte verkaufen und ein neues erstehen müssen.
    »Ich bin kein Kaufmannssohn!«, rief Trix und stieß Ian weg. »Und er ist nicht mein Bruder, sondern mein Freund!«
    »Aber wenn du nicht der Sohn eines Kaufmanns bist«, sagte der Sklavenhändler, »wer bist du dann?«
    »Ich bin ein Magier!«, verkündete Trix. Wenn er doch bloß seinen Zauberstab zur Hand hätte, der seine Worte bestätigen würde.

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