Trix Solier - Odysee im Orient - Lukianenko, S: Trix Solier - Odysee im Orient - xx
sich ein muskulöser Mann in ihrer Nähe ein. »Aber heute führen wir so selten Krieg, dass wir auf Reserven aus dem eigenen Land zurückgreifen müssen.«
»Das macht die Sache nicht besser!«, erwiderte Trix.
»Haben wir denn eine andere Möglichkeit?«, hielt der Samarschaner dagegen. »Aber wie sieht’s aus? Möchtest du vielleicht einen kräftigen, aufgeweckten Sklaven erwerben? Beim Essen ist er nicht wählerisch, vom Kriegshandwerk versteht er ebenso viel wie von der Landwirtschaft, er vermag sich gepflegt auszudrücken …«
»Dass Ihr Euch nicht schämt, mit Menschen zu handeln!«, empörte sich Trix.
»Ach ja?«, gab der Händler beleidigt zurück. »Und was ist mit meiner Frau? Sie will schließlich etwas auf dem Teller vorfinden. Und mein Sohn möchte heiraten, da will der Brautpreis gezahlt sein. Was bleibt mir denn da anderes übrig, als mich als Sklave durchzuschlagen?«
»Soll das heißen, Ihr verkauft Euch selbst?«
»Oh Diamant der Auffassungsgabe!«, höhnte der Mann. »Oh Rubin des Scharfsinns! Natürlich tu ich das.«
Trix ging verlegen weiter.
»So etwas kommt häufig vor«, erklärte ihm Karim. »Ich habe diese Möglichkeit auch schon in Erwägung gezogen, falls die Geschäfte meines Vaters einmal schlecht laufen. Entweder versuche ich es dann als Sklave oder als Soldat. Weil du in der Armee aber ermordet werden kannst, würde ich lieber als Sklave zu einem Meister der Goldschmiedekunst gehen, immerhin habe ich scharfe Augen! Oder zu einem Alchimisten. Da kannst du zwar in die Luft fliegen, aber dafür ist es aufregend!«
»Nein, Sklaverei ist und bleibt eine schlimme Sache«, beharrte Trix. »Was, wenn du genug davon hast?«
»Dann spare ich Geld und kaufe mich frei«, antwortete Karim gelassen. »Was machen denn bei euch die Kinder aus ärmeren Familien?«
»Sie kommen in den Gilden unter«, sagte Trix. »Mit zehn Jahren, manchmal auch schon früher, wird ein Jüngling Geselle. Er lernt sein Handwerk, das dauert rund zehn Jahre. Dann arbeitet er noch mal zehn Jahre, um seine Ausbildung abzuzahlen. Danach kann er sich einen Platz in der Gilde kaufen und selbst Meister werden.«
»Worin besteht denn da der Unterschied?«, fragte Karim.
Trix schnaubte bloß verärgert und ging weiter.
Der Sklavenhandel plätscherte mehr oder weniger vor sich hin, denn die meisten Samarschaner wollten nichts kaufen – sondern sich selbst verkaufen. Einige reichere Kunden nahmen exotische Angebote in Augenschein wie einen Schwarzen von einer tropischen Insel oder auch junge Frauen aus Nomadenstämmen, die der Stammesanführer wegen gesunkener Kamelzahlen bei gleichzeitigem Anstieg von Mädchen im heiratsfähigen Alter verkaufte. Karim erklärte Trix, der Kauf einer Sklavin stelle die billigste Möglichkeit dar, an eine Ehefrau zu gelangen, schließlich könne sich nicht jeder den Brautpreis leisten.
»Oft wird eine Ehe auch arrangiert«, fuhr Karim fort. »Zum Beispiel können sich die Eltern einigen, die eine Seite gibt eine Tochter einem Sohn der anderen Seite zur Frau, während diese umgekehrt eine Tochter für einen Sohn der ersten Familie stellt. Oder es tun sich zehn oder zwanzig Menschen zusammen, und das Brautgeld geht so lange im Kreis herum, bis alle verheiratet sind, ja, manchmal reichen sie nicht mal Geld weiter, sondern bloß eine leere Truhe.«
»Warum heiraten die Leute nicht ohne Brautpreis, wenn sich alle einig sind?«, wollte Trix wissen.
»Also echt! Das wäre doch eine Schande!«
»Verstehe ich das richtig – es ist keine Schande, nur eine leere Truhe weiterzureichen, es ist bloß eine Schande, ohne offiziellen Brautpreis zu heiraten?«
»Ganz genau! Denn zu täuschen ist nur eine Schande, wenn der Betrug auffliegt. Stell dir mal vor, ich verkaufe dir etwas für einen Königlichen Goldtaler, das nur einen Samarschanischen Silberdinar wert ist. Ist das Betrug?«
»Nein, das ist Handel«, gab Trix zu.
»Aber wenn du erfährst, dass du die Ware auch für den halben Preis bekommen hättest, bist du enttäuscht, oder? Weil du begreifst, dass ich dich übers Ohr gehauen habe.«
»Ich denke schon.«
»Eben. Wenn die Sache fehlschlägt, ist das für niemanden schön. Du kommst dir wie ein Dummkopf vor, ich mir wie ein gieriger Betrüger. Alle sind beleidigt und lassen den Kopf hängen! Bleibt der Betrug aber unentdeckt, dann freust du dich über den Kauf und ich mich übers Geld!«
»So kann man das doch nicht sehen«, widersprach Trix. »Dann wäre Betrug am Ende ja eine
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