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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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und zerfleischt, lag das, was ihr Körper sein mußte, einen halben Schritt neben dem abgetrennten Kopf; der Mund war zum Schrei geöffnet. Ringsum brachen brennende Häuser nieder; Achaier zerrten kreischende Frauen an den Haaren hinter sich her oder torkelten, berauscht von Wein und Mord, überladen mit Ringen und Ketten und goldenem Geschirr, durch die heißen Gassen, die nach Brand und versengtem Fleisch und Erstickung rochen. Er sah einen Achaier auf einer schreienden Frau, die von seinem Brustpanzer aufgescheuert und von zwei anderen Kriegern niedergehalten wurde. Flammen leckten an den Füßen eines Mannes, den ein Speer im Bauch an einen großen Fensterladen heftete; der Mann war nackt, die Lippen und Augen bewegten sich noch, und wo sein Gemächt gewesen war, troff Blut von Fleischfetzen. Dort, wo die Gasse in die nächste Straße mündete, versperrten ihm zwei Achaier den Weg; einer hielt ein Schwert in der Rechten, in der Linken einen abgetrennten Frauenkopf. Ninurta, der so lange Trojaner hatte töten müssen, stieß ihm mit Lust das Schwert in den Leib und trank Wonne aus dem Hieb, mit dem er dem anderen Mann den Schädel spaltete, einem Achaier, der einen Säugling an den Füßen hielt und gegen eine Wand schlug. Ninurta schrie und tötete und wußte dabei, daß es aus diesem Hades niemals ein Entrinnen geben konnte. Flüchtig dachte er an Tashmetu, ihr Kind, die anderen im Schiff – hoffentlich im Schiff; graue Gedankenfetzen rankten sich um die Ehrenhaftigkeit des Keleos, der immer noch für den Strand zuständig war.
    Ein Sturzbach schwemmte ihn davon, flüchtende Trojaner, die zur Burg wollten, in der Hoffnung auf Sicherheit hinter den mächtigen Wällen. Als er sich mühsam aufraffte, unter den Füßen der Fliehenden das Schwert suchte, rannten ihn die nächsten Frauen, Männer, Kinder nieder. Sein Gesicht wurde in Blut und Kot und Menschenteile gepreßt, er kam auf die Beine, stolperte, kroch auf Händen und Knien, taumelte hoch und fand sich eine wirre Zeit später im Hof der Burg wieder, in der Hand ein anderes Schwert, zurückgetrieben von eingedrungenen Kriegern, die sich den Weg zum Thronsaal freihieben und über zuckende Körper trampelten. Er hörte nichts, oder vielleicht ferne Schreie durch das Rauschen in seinen Ohren.
    Dann sah er Menelaos, ein langes Schwert in beiden Händen; und verlor ihn sofort wieder aus den Augen, als ein Strudel kämpfender, sterbender, flüchtender Trojaner ihn einen Gang hinabwirbelte.
    Er hörte – später – von Mord und Schändung vor Altären; vom Tod des greisen Priamos, am Zeusaltar geköpft; von Metrodoros, den sie aus einem Winkel des Thronsaals zerrten und in den Hof schleppten, wo sie ihm die Kleider vom Leib rissen, einen Speer in den After rammten und ihn über einem Feuer brieten, während er noch schrie; all das und mehr, in den Jahren danach, aber sah nur eines.
    Am Ende des Gangs die Kammer, in die die letzten Überlebenden von den Achaiern gedrückt wurden, niedergehauen einer nach dem anderen. In der Kammer Deiphobos, Sohn des Priamos, neuester Gatte der Helena; Menelaos trennte ihm eine Hand ab, den Arm, den anderen und öffnete die Bauchdecke, und drei Männer und zwei Frauen waren die einzigen, die zusammen mit dem Assyrer in die zweite Kammer getrieben wurden, prächtiger als alle, die er je gesehen hatte (als ob das nun wichtig wäre, dachte er, dachte etwas in ihm).
    Und plötzlich Stille, nur Stöhnen und Schluchzen, kein Schreien mehr, kein Klirren, außer in der Ferne. Durch das Rauschen in den Ohren, das eigene Keuchen, das furchtbare Pochen des Bluts hörte er eine Stimme, jene Stimme, weich und warm und alles verschlingend, die Menelaos sagte, wie erstaunt und erfreut.
    Am Ende der Kammer, neben dem Bett, zu ihren Füßen wimmernde Kinder und zwei Frauen, stand Helena, die Göttliche. Sie war nackt; sie trug nichts als das Geschmeide aus den Knochen totgeborener Kinder. Sie schien im matten Licht der Öllampen zu glühen: ein unwirklich fleischiges Glühen, Gier und Verheißung und äußerstes Entsetzen.
    Und Menelaos ließ das Schwert fallen, kniete nieder, als sie die Kinder und Frauen zurückließ und ihm entgegenkam. Mit einem Schluchzen, des den ganzen mächtigen Körper des großen Kriegers erschütterte, sank Menelaos in die Knie und barg das Gesicht in der krausen Medusa zwischen ihren Schenkeln.
    Ninurta starrte sie an, den Knienden, die Krieger, die mit ihm gekommen waren. Er sah Fassungslosigkeit auf den Gesichtern

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