Troja
Sklaven, Zögling des Palamedes. Ein hübscher Knabe, heißt es – einer, der oft genug seinen After vor den Zudringlichkeiten von Helden in Sicherheit bringen mußte. Palamedes gab mir den Auftrag, die wichtigen Dinge so aufzuschreiben, wie sie sich den anderen darstellten: den Fürsten. Ich kenne den Knaben heute nicht mehr, mag mich kaum seiner entsinnen, denn die Erinnerung, scheußlichste Gabe der Erinnyen, gilt nie dem Knaben allein; wie giftige Schlingpflanzen ranken sich Bilder, Klänge und Gerüche von Gemetzel und Untergang darum.
»Alle Fürsten, die als Nachfahren von Minos, Sohn des Zeus, über jene Lande herrschten, die von Mykeniern, Achaiern, Argivern, Danaern, Athenern, Thebanern und anderen Achaisch sprechenden Menschen bewohnt wurden, kamen auf Kreta zusammen, um den Reichtum des Atreus aufzuteilen…« So, alter Freund, begann der Knabe die Geschichte – geziemend unmittelbar, ohne lange Anrufung von Göttern oder Aufzählung edler Stammbäume. Schon die wenigen Angaben des Beginns sind jedoch Lügen. Es entstammte ja keiner dem Geschlecht des Minos, und der Reichtum des Atreus war längst aufgeteilt – Atreus, einer jener Männer, die sich alter Städte bemächtigt und zur Rechtfertigung sowie zur Herstellung einer edlen Abkunft behauptet haben, sie seien mit den Fürsten verwandt, deren Töchter sie schändeten und deren Paläste sie mit Läusen und Gezeter füllten.
Die Fürsten kamen nun auf Kreta zusammen; wahrscheinlich, wie bereits gesagt, um darüber zu beraten, wie man Ilios in den Rücken fallen könne, um es zu plündern, während die Krieger von Ilios ihrerseits versuchten, die Haiti zu vermindern.
Idomeneus, Fürst zu Knossos, angeblich Nachkomme des Deukalion, und sein Waffengefährte (und Beischläfer) Meriones, Sohn des Molos, hießen die Gäste willkommen.
Unter jenen, die als erste eintrafen, waren Palamedes und Oiax, Söhne der Klymene und des Nauplios. Ebenfalls bemüht, durch frühes Erscheinen Vorteile zu erhalten, waren Menelaos, Sohn der Aerope und des Pleisthenes, und sein älterer Bruder Agamemnon, Enkel des Atreus. (Wie man sagt. Ob der Tugendhaftigkeit ihrer Mutter, weithin in Scherzen gerühmt, war aber nicht einmal die Vaterschaft des Pleisthenes gewiß, und des Atreus Tochter Aerope mag sehr wohl nicht des Atreus Tochter gewesen sein, da man ihrer Mutter nachsagte… aber du kennst derlei.)
All jene Kreter, die sich als Nachfahren der Europa betrachteten und diese auf der Insel mit großer Feierlichkeit verehrten, strömten zusammen, um die Fürsten zu begrüßen und zum Tempel zu geleiten. Sie unterhielten ihre Gäste dort mehrere Tage lang, mit üppigen Tieropfern, in überkommener Weise dargebracht, und mit prächtigen, überreichen Gastmählern. Natürlich nahmen die Fürsten der Festlande alles gern und gierig an; vor allem zeigten sie sich beeindruckt von der Schönheit des Tempels der Europa und von der Kostbarkeit der Kunstwerke und Einrichtungen. (Denn dergleichen hatten ihre heruntergekommenen Städte nicht aufzuweisen.) Staunend betrachteten sie all jene Dinge, die einst aus Sidon herbeigeschafft worden waren und nun die Pracht und Herrlichkeit von Knossos mehrten.
Zu der Zeit, da die Fürsten auf Kreta weilten, beging der Trojaner Alexandros, den man auch Paris von Ilios nannte, Sohn des Priamos, seinen Verstoß gegen die Gastrechte. Zusammen mit Aineias und anderen Verwandten war er im Haus des abwesenden Menelaos gastlich empfangen worden. Überwältigt von Leidenschaft für Helena – sie war weit schöner anzuschauen als alle anderen Frauen aller Lande – »raubte« er die Frau des Königs und auch einiges an Kostbarkeiten aus dem Haushalt des Königs Menelaos – des Königs, von dem man sagte, er sei fast immer abwesend, auch wenn er anwesend sei; und man sagte auch, es habe keines Raubes bedurft, da Helena sofort für Paris entbrannte und einige minder kostbare Gegenstände ihres täglichen Gebrauchs, auf die sie nicht verzichten mochte, beim Aufbruch mitnahm. Begleitet wurden sie ferner von anderen edlen Frauen, die sich gern bei Helena aufhielten und nicht zurückbleiben wollten.
Bald kam ein Bote nach Kreta, um von den Vorgängen zu berichten. Wie es der Gewohnheit der Leute entspricht, vergrößerten sie alles, die Wunder wie die Wechselfälle, so daß die Menelaos gerüchtweise zugetragene Fassung der Geschichte sagte, man habe seinen Palast gestürmt und niedergebrannt und sein Reich zerstört.
Als Menelaos dies hörte, empörte
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