Troja
mich nicht wörtlich.«
Ninurta lachte. »Also genau anders herum – du rechnest mit bösen Dingen vom Meer und sorgst dich nicht ums Land.«
»Wie auch immer. Wir brauchen bessere Kenntnisse.«
»Was ich dazu tun kann…«
»Mehr, als du ahnst.«
»Das klingt wie eine düstere Drohung.«
Der alte Mann wackelte mit dem Kopf. Und mit den großen Ohren. Einen Atemzug lang überlegte Ninurta, ob Rap’anu die Ohren wohl auch anlegen konnte. Oder aufstellen.
»Keine Drohung. Man muß sich vorsehen. Wir leben in wirren Zeiten.«
»Wie wirr sind die Zeiten denn? Du weißt, Herr, ich kenne nur die Lage im Osten.«
Rap’anu schloß die Augen. Halblaut, fast als wolle er den Assyrer einschläfern, berichtete er. Ninurta bemühte sich, zwischen den Worten und hinter den Sätzen das zu erraten, was wirklich wichtig war.
Offenbar gedieh das Unternehmen auf Alashia nicht zur reinen Wonne des Großkönigs. Der Widerstand nahm zu, und um die Kupfergruben so gründlich wie nötig ausbeuten zu können, mußten die Hethiter immer mehr Truppen auf die Insel verlegen. Dazu benötigten sie immer mehr Schiffe, die Ugarit und andere (mehr oder minder willige) Küstenstädte zu stellen hatten. Krieger aus dem Inneren des Reichs wurden in die südlichen Gebiete geschickt, nach Karkemish, nach Alalach, ins alte Fürstentum Hanigalbat, wo sie ausgeruhte Besatzungstruppen ablösten. Diese wiederum marschierten (wobei sie vom Land ernährt werden mußten) zur Küste, vor allem nach Ugarit, waren dort einige Zeit lästig und wurden dann nach Alashia verschifft.
»Eine treffliche Übung«, sagte Ninurta. »Die neuen Krieger aus dem Norden haben keine Freunde in Karkemish und werden mit den Mitanni im Zweifelsfall herb umgehen; die Kämpfer, die nach langem Lotterleben Karkemish verlassen, sind vermutlich ausreichend unwirsch, um allen klarzumachen, daß man dem Willen des Großkönigs am besten schnell nachkommt. Wie stehen die Dinge auf Alashia denn zur Zeit? Und was sagen die Statthalter von Misru [Ägypten] in den südlichen Küstenstädten?«
»Der Herr des Landes der Binsen und Pyramiden ist biegsam wie Schilf und stumm wie ein Totenhaus. Seine Statthalter betrachten die Dinge mit der Gelassenheit des Adlers, den am Getümmel der Mäuse unten lediglich eine Frage beschäftigt: wann er hinabstoßen soll. Und was die Kupferinsel angeht, so leisten die Bewohner nun auch in der Mitte und im Osten Widerstand, und sie werden unterstützt.«
Ninurta kannte die große Insel; er wußte, daß es in der Mitte unzugängliche Berge gab, in denen einheimische Kämpfer sich sicherfühlen konnten – für Überfälle, Brandschatzungen, Anschläge auf die Besatzer. Lästig, aber nicht ausreichend, um den Herrn von Hattusha und sein Heer im ebenen Osten Alashias ernstlich zu bedrängen. »Wer hilft ihnen?«
»Alle«, sagte Rap’anu trocken. »Alle, außer den Westlern aus Achiawa.« Er sagte, man habe Spitzel gefangen, die für Wilusa oder Ashur oder Arzawa arbeiteten, oder für alle. Madduwattas habe sich inzwischen ganz zum Herrn des Binnenlandes im Norden gemacht – wenn die Hatti etwa durchs Land nach Westen vorstoßen wollten, um jene Küstenstädte zu erreichen und zu bestrafen, die Alashias frühere Fürsten aufnahmen und unterstützten, so müßten sich die Krieger des Großkönigs den Weg freikämpfen. Die Straßen, auf denen Streitwagen fahren könnten, seien fast überall zerstört oder mit Hindernissen versehen; die Arzawer erprobten nach allem, was er gehört habe, neue Möglichkeiten, Fußkämpfer gegen Streitwagen antreten zu lassen. »Sie haben lange Speere«, sagte er , »und kurze, die sie schleudern, und lange Schwerter, mit denen man nicht nur wie mit unseren stechen, sondern auch hauen kann.« Der Herr von Wilusa, Prijamadu, habe offenbar beschlossen, daß die Rüstungen und sonstigen Vorbereitungen wie Schiffbau im Land Achiawa noch lange Zeit zum Reifen brauchen würden; er sei dabei, eigene Kämpfer auf Schiffen in den Süden zu schicken, wo sie selbst gegen die Hatti streiten, aber auch Krieger der vertriebenen Fürsten und fremde Söldner zu sinnvollen Einsatzplätzen bringen sollten. Spitzel, sagte Rap’anu, seien hilfreich, aber bisweilen unzuverlässig, und verläßliche Nachrichten über die wirklichen Pläne?
»Der Großkönig hat uns, wie seine Vorgänger, schon vor Jahren befohlen, auf keinen Fall Schiffe der Achiawer hier ankern zu lassen und dafür zu sorgen, daß auch die Assyrer vom Seehandel
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