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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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sie weit vor der Küste schon in braunem Wasser segelten, erinnerte sich daran, daß die Ägypter das Meer das »Große Grüne« nannten, und versuchte, längst vergessene Sprachbrösel aufzubacken, die er damals vom Laib des Ägyptischen geknabbert hatte, ohne sie je wirklich schlucken zu können. Der »schnellfließende Aigyptos« (Elphenor würde wieder stöhnen, dachte er) – der Nil, der Jotru hieß, »großer Fluß«, oder Hapi wie der zuständige Gott; Men-nofer , von den Hellenen »Memphis« genannt, die auch aus Ka-Suut Sais gemacht hatten. Die Ägypter nannten sich Romet , »Menschen«, und ihr Land Tameri ; Solon dachte an den Priester in Sais, der viele hellenische Bezeichnungen »feindlich« genannt hatte, weil sie aus Begriffen der assyrischen Besatzer hervorgegangen seien. Damals war er jung und durstig nach Wissen gewesen. Der Durst war geblieben.
    Am nächsten Vormittag saß er als alter, mürber Mann am Mastfuß auf einer Taurolle. In den Augen, von fünfzig Jahren morsch, wibbelte wie ätzendes Gewürm das Gleißen der Sonne, gespiegelt von den Kräuselwellen des Flusses. Er wartete darauf, daß ihn das sanfte Schaukeln der Glauke in einen Halbdämmer versetzte, in dem vielleicht der Kopf aufhören würde, schadhafte Trommel zu sein.
    Er dachte an die vergangene Nacht, dort verbracht, wo der alten Geschichte zufolge Kanopos, Steuermann des Menelaos, an einem Schlangenbiß gestorben war, obwohl Helena aus ihren Tränen ein Heilmittel gewann. Ah, die Macht von Frauentränen und Männerworten… Peguati, das Fischerdorf auf dem Westufer, hatte sie mit Feuer, Fisch, Fleisch, Musik und viel Bier bewirtet (gegen eine Amphore billigen, geharzten Weins), und das östlich des Mündungsarms gelegene Menuthis, wo es einen Tempel der Isis und einen des Schatzes gab (gottgleich der Herrscher, göttlich die Gier, Götzen die Zöllner und Steuerwächter), entsandte einen Zollaufseher mit drei Kriegern, daß an der Feier nichts fehle. Aus der Festung Rhakotis weiter westlich, in den letzten Jahrzehnten zum Schutz der Küste gegen Seeräuber und zur Bewachung der Handelsstraße nach Kyrene angelegt, kamen abends ionische und karische Söldner, um mit den Kaufleuten zu trinken und mit den jungen Frauen des Orts zu reden. Bis der Schwall des Trunks die Dämme der Ziemlichkeit bersten ließ, bis die Flut aus Heimweh und Lust um die Feuer schwappte und zwischen den Sternspiegelungen versickerte. Ah, die Wucht von Männertränen und Frauenworten…
    Elphenor hatte gelitten, in dieser Nacht; auch aus der Sprechweise der Söldner waren geflügelte Wendungen geschlüpft, die Elphenor jaulen ließen, vor allem, da die Männer sie zum Zeichen hellenischer Verbundenheit unaufhörlich abwandelten; und als er längst betrunken war, wollten einige der Kämpfer ihn in die Büsche schieben, mit einer Dorfschönheit, deren Name Helena sei, wie sie versicherten – »damit dein langes Werben endlich ins Ziel gleite«. Pylades dagegen hatte nicht gelitten; er fing alles herumflatternde Wortgeflügel und rupfte es und erzählte wüste Geschichten über sich und Orestes und dreierlei Elektras. Laogoras leugnete entschieden, jemals von Herakles getötet worden zu sein, und insgesamt war es eine sehr wilde Nacht.
    Donner weckte ihn, dann das Gelächter der anderen. Er richtete sich auf und sah und roch das Hinterteil des Flußpferds, wenige Armlängen entfernt im Schilf. Baiton sagte, so habe er sich Zeus immer vorgestellt, und Solon erinnerte sich an einen ägyptischen Gesang über Hapis heilsamen Hauch.
    Der stetige Nordwind trieb sie gegen den trägen Strom, nach Süden. Nachmittags, als er sich wieder halb lebendig fühlte, beobachtete Solon den Fluß und die Landschaft. Mehrmals sah er große Fische mitten im Strom ruhig und fast zielstrebig flußab schwimmen. Auf einer ufernahen Sandbank erblickte er die ersten Krokodile dieser Reise; sie schienen das vorübergleitende Schiff mit geringschätziger Langeweile zu betrachten: uralte Todesgötter, denen die Hast der Emporkömmlinge, flüchtiger Menschen, allenfalls ein halb gehobenes Lid wert ist. Manchmal stiegen scheinbar mühevoll Stelzvögel aus dem Ried, um in verzaubertem Gleiten zu entschwinden. Irgendwo jenseits des raschelnden Schilfs gab es Hütten oder ganze Dörfer auf Hügeln im Schwemmland; sie waren vom Boot aus nicht zu sehen, und die Glauke schien durch eine menschenleere Ödnis zu segeln. Aber der Würgegriff des Herrschers umklammerte längst auch Schilf und Strom

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