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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Westler dort alles zerschlügen. Und Rundgänge durchs Tal mit Tashmetu. Und Adapa, der den Rechnern und Schreibern neue, einfachere Zahlzeichen und Rechnungsweisen beibrachte. Und Tsanghar, der unentwegt grub und baute und bastelte:
    Tonröhren, die ein Flüstern des ersten Wächters an der Einfahrt bis ins Tal trugen; die merkwürdigen Rollen und Seile, die durch Zauberei die Kraft eines Mannes vermehrten – Djoser überlegte, ob er sie erklären sollte, gab dann aber auf, weil er nicht sicher war, die Wirkung zu verstehen. Tsanghar hatte mit dem Schmied und den Bootsbauern eine Art Rahmen aus Bronze und Balken gemacht, mit hölzernen Rollen darin; diesen legten sie ins Wasser, ließen eines der schweren Schiffe bis zur ersten der Rollen rudern, befestigten Taue am Bug, die zu den seltsamen Rädchen-und-Seile-Geräten führten, und dann zogen fünf Männer ein Schiff an den Strand, das zwanzig kaum hätten schieben können. Dort lagen die Schiffe trocken, konnten ausgebessert und gereinigt werden. Und zuletzt hatte er den Kashkäer mit den Bootsbauern Setoy und Achikar gesehen, wie sie an einem kleinen Schiff arbeiteten, aus dessen nach oben gekehrtem Rumpf ein rätselhaftes großes Holzblatt ragte.
    Aber dann saß er da und schrieb nicht mehr, denn ihm fiel kein weiterer Ausweg ein, außer Kir’girims Kräutern und ihrem zahmen Löwen oder Vorfällen im Garten und in der Küche. Kein Aufschub mehr, der ihn daran hindern konnte, von Wunder und Wahn, von Erhabenheit und Schmach zu schreiben; von ungekannter Lust und Dingen, die ihm die unendliche Schlichtheit und Ahnungslosigkeit seiner bisherigen Bedürfnisse und Befriedigungen eröffneten; von Hitze in nächtlichen Winterstürmen und von trübem Versagen, das mit einem Lächeln als »ganz gewöhnlich« hingenommen wurde; von allzu feinen Speisen und allzu kluger Rede; von der Entdeckung des eigenen Körpers, von Gier nach Überforderung und von dem Sehnen, heimkehren zu wollen (aber er wußte nicht, ob er wollte) ins alte ruhige Leben, gehüllt in die Billigung des heimkehrenden Freundes.
    Denn nach Ablauf des ersten Monds auf der Insel hatte Tashmetu ihn in der Nacht aufgesucht, ihn erfüllt und erschöpft und versengt und verwandelt. Dies, und der Wunsch, daß der Freund heimkehren, und der andere, leisere Wunsch, daß Ninurta fortbleiben möge. Schwerer zu schreiben als alles andere. Schwerer zu tun und zu bewältigen als alles andere. Köstlicher und, o ihr Götter der Romet, schwieriger und erschöpfender als die Lenkung eines Schiffs durch Herbststurm und turmhohe Wogen. Djoser tunkte das Ried in die Tinte und begann zu schreiben.
     
    An einem milden Tag kurz vor der Wintersonnenwende konnte Zaqarbal endlich eine liebe Gewohnheit wieder aufnehmen: lange Märsche über die Insel, mit Kynara. In den ersten Zeiten nach ihrer Rückkehr hatten sich die Aufgaben und Arbeiten gedrängt; danach fegten tagelang Stürme über die Insel, es wurde kalt und regnerisch, einmal war sogar ein wenig Schnee gefallen.
    Beide trugen knöchellange Wollgewänder mit langen Ärmeln, darüber noch einmal einen wärmenden Umhang, und sie hatten die Füße mit Tierfellen umwickelt. Am Hang war es ebenso wie im Tal fast windstill; als sie die Höhe erreichten, griffen die Finger eines liederlichen Windgötzen (wie Kynara sagte) nach ihren langen Haaren und wehten sie in Zaqarbals Gesicht.
    Sie fanden eine trockene, geschützte Stelle zwischen zwei Felsvorsprüngen; dort konnten sie sitzen und aufs Meer, aber auch ins Tal blicken. Die See war graublau unter einem halb bedeckten Himmel; kleine Gischtkämme schienen miteinander zu spielen, sich zu balgen, lösten sich auf und bildeten sich neu. Die beiden Adler, die nahe der Südspitze ihren Horst hatten, kreisten weit draußen, aber solange Kynara und Zaqarbal zuschauten, stießen sie nicht nieder, um Fische zu packen. Nicht weit rechts von dem geschützten Einschnitt stritten sich Möwen; irgendwann begann Kynara, das Gezeter zu übersetzen.
    »Die erste sagt, man sollte den Kot sammeln und trocknen und dann zum Bau eines Schreins verwenden.«
    »Aha. Was für ein Schrein?«
    »Sie verehren einen flügellahmen Gott.« Kynara rümpfte die Nase und gluckste. »Er mag nicht fliegen, dieser Möwengott, deshalb will er in einem weichen warmen Schrein liegen, wo sie ihn nach Lust und Laune schmähen oder preisen können.«
    »Wenn sie den Kot aber trocknen, ist er nicht mehr weich und warm.«
    Kynara faßte nach seiner Hand. »Das hat die

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