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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Metallschienen, Metallrollen und Strikke; die mit Bronzeplatten und Steinscheiben besetzte Tür wurde geschlossen. Sie reichte bis knapp über die Wasserlinie; wer auch immer zufällig die Einfahrt fand und vielleicht noch mit dem Bug den Pflanzenvorhang durchstieß, würde gegen etwas fahren, das er für einen Felsen halten mußte.
    Dann ächzte Djoser zum dritten Mal, als aus dem Gang, der vom Kai durch die Felsen ins Innere der Insel führte, die ersten verschlafenen Gesichter auftauchten. Er sah Kir’girim, die Meisterin der Kräuter, den Rome und furchtlosen Rechenkünstler Sokaris, den Schmied Shakkan aus Larsa, die Herrin der Tiere, Igadjae aus Karkemish, und er wußte, daß er (wie Zaqarbal, aber der würde zunächst Besseres zu tun haben) ihnen allen berichten mußte, was sie getan und unterlassen hatten, welche aufregenden Arten der Langeweile in anderen Häfen vorherrschten und was mit dem Assyrer geschehen war.
    Zaqarbal sprang auf den Kai, breitete die Arme aus und rief:
    »O ihr häßlichen und holden Gefährten, wie gut, euch zu sehen. Wo ist die Fürstin meiner Nächte?« Und noch ehe das Gebrüll, zu dem die Grotte seine Worte verwandelte, ganz verhallt war, tauchte die schlanke Frau aus dem Gang auf, Kynara aus Samaly, einem Hafen an der Südostküste von Alashia. Sie war kaum bekleidet, trug über dem Leibschurz nur einen dünnen, offen wehenden Umhang, rötlich wie ihr langes Haar. Vor Zaqarbal blieb sie stehen, legte ihm die Hände auf die Schultern und sagte:
    »O du, der meine Leber walkt und meinen Kern zum Schmelzen bringt – willkommen, Zaqarbal. Warst du mir auch treu?«
    »Oft, Geliebte.« Als das Gelächter der Umstehenden sich gelegt hatte, fuhr der Sidunier fort: »Ich war dir treu, Kynara – auf meine Weise.«
    »Die kenne ich, du Schuft.«
    All dies, dachte Djoser, und noch mehr, vor allem… eines. Schwer in Zeichen niederzulegen. Er saß am lederbezogenen Tisch, auf dem mit Fellen belegten Rohrstuhl, kaute auf dem Schreibried und blickte abwechselnd durch die Fensteröffnung in den grünen Küchengarten hinaus, der um eine der Quellen herum angelegt war, und dann wieder auf das halb beschriebene Blatt aus Binsenmark. Vor Jahren hatte er begonnen, die unerfreulich wichtigen Dinge aufzuschreiben, um der Heiterkeit des greisen Vergessens vorzubeugen. Aber… das Schwerste von allem, seit sie Ugarit verlassen hatten, fehlte noch.
    Kienruß und Gummi, dachte er, und verbrannte Weinhefe. Er nahm den Tintenklumpen in die Hand. Eine feine Raspel. Mit wenig Wasser anrühren, mit Essig verdünnen, nachdem es gerieben und zu feinem Staub zerstoßen ist. Er hatte Tinte bereitet, das Näpfchen war fast noch voll; er hatte ein Ried zerkaut, genau richtig, um damit auf Binsenblättern zu schreiben. Nun zerkaute er das obere Ende. Er legte den Tinteklumpen zurück in die Schale mit Schreibhalmen, Griffeln, Messerchen und Fäden; dann betrachtete er die Steine, mit denen er die Markrolle seitlich beschwert hatte. In einem Stein war eine Art Schnecke eingeschlossen. Seufzend sah er sich um. Die Häuser im Talkessel waren alle gleich, an die schroffen Felsen gelehnt, erbaut aus den Steinen der Insel und ein wenig Holz, das übers Meer hergebracht werden mußte. Keines war älter als vierzig Jahre. Helle Waben eines Händlerstocks am Felsen. Das breite flache Bett mußte nicht ausgebessert werden, die Felle und Decken hatte er bereits dreimal zurechtgezupft, der Fensterverschluß – ein mit dünnem Fell bespannter Holzrahmen – war vor wenigen Monden neu gestrichen worden, die Bastmatten und der schwere Teppich (ein Geschenk Ninurtas , hergestellt von irgendeinem Bergvolk jenseits des Haiti- Reichs) lagen genau richtig und mußten nicht geflickt werden, die Rollen und Tafeln im Gestell an der linken Wand waren säuberlich geordnet und ausgerichtet, er brauchte auch keine frische Tinte, und der Krug mit Fruchtsaft, Wasser und Wein war noch fast voll.
    Mit leisem Knurren ergab er sich, tauchte das Ried in den Napf und begann zu schreiben. Sie hatten sich vor langer Zeit – ehe Djoser zu ihnen stieß – auf die Verwendung der Chanani- Lautzeichen geeinigt, die auch er leichter und schneller zu schreiben fand als die Wortbilder seines Landes. Er beschrieb den Rat der Handelsfürsten, die Berichte, die vorläufige Berechnung der Gewinne und Verluste; vorläufig deshalb, weil drei Schiffe noch fehlten. Der Kreter Minyas, den sie oft Minos nannten (was Djoser verstand, aber nicht witzig fand), trieb

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