Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
weiß, daß Entsetzen der Preis ist, den wir entrichten, ehe das Los und die Götter uns köstliche Labsal gewähren, fürchte ich, daß der Genuß – Entrücken, Entzücken, Verzückung –, diese gedeihliche Glut, durch Grauen erkauft ist. Deswegen frag ich nicht, was in dem Trunk ist; so genau will ich’s nicht wissen.
    Also, wenn ihr darauf besteht, zurück zu Palamedes. Aufbruch, Abschied, die Fahrt nach Knossos, wo der glückliche Idomeneus den Vorzug genoß, in üppigen Palästen zu schwelgen, da seine Vorfahren bei der Übernahme nicht geglaubt hatten, alles Schöne zerschlagen zu müssen. Die anderen Fürsten kamen nach und nach ebenfalls an, und die meisten wußten Bescheid. Menelaos natürlich nicht; er wäre sicher nicht aus Sparta abgereist, und als dann die erwartete Nachricht kam, daß Helena mit Paris, dem Sohn des Priamos, das Weite gesucht und das Weitere gefunden hatte, mußten wir uns alle sehr zusammenreißen. Bei aller Abneigung untereinander vereinte uns doch das Vergnügen am gelungenen Streich, und weil der Tölpel es nicht wissen durfte, mußten wir uns das Gelächter verkneifen. O die Bauchschmerzen! Die quälend quellenden Tränen, gespeist aus der gestauten Flut heimlichen grölenden Lachens; und wie gern Menelaos, bevor er vorübergehend das verlor, was er als Verstand auszugeben beliebte (und das meiste davon hatte er ohnehin zwischen Helenas Schenkeln verloren) – wie gern Menelaos uns Grimm und Gram und Empörung geglaubt hat, und wie gerührt er war, daß die lieben Freunde, all die versammelten Geierärsche, seinetwegen in Tränen ausbrachen.
    Aber Mangel an Geist hat ja noch keinen daran gehindert, ein trefflicher Totschläger zu werden – trefflich, solange er auf Klügere hört. Und bei aller Dämlichkeit war Menelaos… ist Menelaos, denn er lebt ja noch, ein furchtbarer Feind und großer Kämpfer. Nicht der einzige, natürlich; allen war klar, daß ein Krieg nur dann aussichtsreich wäre, wenn wirklich die Besten der Besten mitmachen. Palamedes, das gerissene Schwein… ein scharfsinniger Mann und hervorragender Männerführer; die Krieger haben ihn geliebt. Philoktetes, der einzige außer mir, der mit einem schweren Bogen umgehen konnte, außerdem ein listiger, einfallsreicher Führer und Belagerer. Idomeneus, ebenfalls klug und stark – aber wir brauchten auch die, die nicht sehr klug waren, oder bei denen die Klugheit immer wieder von Kraft und Wut verfinstert wurde. Diomedes, ein Bär von einem Mann; der große Aias, Sohn des Telamon, ein Riese, dessen Verstand nicht einmal eine Nußschale gefüllt hätte, aber was für ein Kämpfer! Und, nicht zu vergessen, Achilleus, der größte aller Krieger, stark, tollkühn, listig, aber auch gespalten in Mann und Knabe – vielleicht hat ihn in der Kindheit ein kranker Fuchs gebissen, denn der Knabenteil in ihm steckte voller Tollwut, und wenn sie ausbrach, blieb vom Mann nur die verwegene Kraft, der Kopf aber fehlte.
    Zu dieser Zeit, als die Fürsten sich versammelten, hatte er den Kopf noch. Der Knabe in ihm glaubte an eine Weissagung, daß Achilleus, wenn er in den Krieg zöge, ewigen Ruhm erringen und jung sterben würde. Der Mann hat, möglicherweise, das ganze Unternehmen so ähnlich gesehen wie ich. Jedenfalls wollte er nicht – er kam nicht nach Knossos und war nicht zu finden, als wir ihn zum Kriegsrat nach Argos einluden.
    Was? Ja, natürlich konnte ich das verstehen, kann es immer noch. Was nichts daran ändert, daß… Sagen wir so: Wenn ich muß, sollen auch die anderen müssen. Oder sagen wir: Wenn schon, denn schon. Oder: Ohne die größten Helden hätten wir gar nicht erst auszulaufen brauchen; da aber der Zug feststand, mußten wir zusehen, daß wir die größten Krieger zusammenkriegten.
    Und natürlich stand der Kriegszug fest, noch bevor die Versammlung Palamedes, Menelaos und mich als Gesandte losschickte. Wozu dann die Gesandtschaft? Um das Gesicht zu wahren – und um, vielleicht, auf ein Wunder zu warten. Wenn die Trojaner Helena ausgeliefert hätten, wären wir mit der zweiten Forderung gekommen: das Doppelte an Gold und Silber von dem, was sie aus Sparta mitgenommen hat. Und Zahlung eines Tributs. Verzicht auf Zoll in der Meerenge. Und so weiter. Schließlich blieb uns immer noch die Möglichkeit, die Spaltung innerhalb der Trojaner zu vertiefen und zu nutzen. Denn sie waren gespalten.
    Ah, das ist eine lange Geschichte – ich will versuchen, es kurz zu machen. Die eigentlichen Bewohner von Ilios sind

Weitere Kostenlose Bücher