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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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und Djoser, sagte er, hätten ihm die Verwaltung des Lagers anvertraut, eine Arbeit, die er in Ugarit schon zu Nutzen und Mehrung getan hatte. Der bisherige Herr des Lagers verspürte etwas, was er den Windhauch der Geschichte nannte, und wollte unbedingt mit Tlepolemos in den Krieg ziehen. Menena erging sich in wohlgesetzten Gehässigkeiten; Ninurta genoß es, nach langer Zeit der Ernsthaftigkeit laut lachen zu können.
    »Dieses kindische Zickzack-Segeln ist eine gute Einführung in den höheren Unsinn der ganzen Veranstaltung.« Der Verwalter schlürfte heißes, gewürztes Bier; der Tonkrug war geformt wie ein roter Unterschenkel mit blauem Fuß und schwarzen Zehen. Menena saß auf dem vorspringenden Sockel der Feuerstelle und ließ sich, wie er seufzend vor Lust sagte, von den Flammen das Alter aus dem Rücken sengen – andere Teile seien auch durch mächtiges Gluten nicht mehr zu verjüngen. Jedenfalls kaum; die alte Nekhebit, die sich nahe dem Kamin auf einer Liege mit gelben Decken und grünen Kissen ausgestreckt hatte, gluckste leise und sagte, sie sei ja auch nicht mehr die Knospe ihres Namens, aber Dolden und anderes seien auch ohne Fruchtkapseln bisweilen noch ganz ersprießlich.
    »Ah ja.« Menena legte den Finger an die Lippen. »Verrat ihm nichts, sonst freut er sich aufs Alter, und das wollen wir doch vermeiden, oder? Wie gesagt, Herr, höherer Unsinn. Von hier nach Nordwesten, von dort nach Osten, und von da? Zu Scheiterhaufen und Grab und ewigem, ewig sinnlosem Ruhm. Bah.«
    Ninurta lächelte. »In Ashur gibt es eine hübsche alte Spielerei, für lange Wintertage. Sie heißt: ›Laßt uns auf dem Boden sitzen und traurige Geschichten über den Tod von Königen erzählen‹. Was hätte man da zu reden, wenn Könige nicht in den Krieg zögen?«
    »Ja, ja, schon recht, aber sie tun es nicht allein, und sie tun es nicht zur Unterhaltung der Spätergeborenen.«
    »Was sollten sie denn tun, nach deiner Meinung?«
    Menena nahm einen weiteren Schluck, gurgelte und schmatzte. »Trinken. Oder, wenn es denn sein muß, soll dieser Manalahhu oder wie auch immer er heißt zu den Wilusiern fahren und Araksandu zum Zweikampf fordern.«
    »Und dann?«
    »Dann, wenn einer tot ist, kann die schöne Frau entscheiden, ob sie den Überlebenden haben will oder einen Vernünftigen.«
    In den weitläufigen Lagergebäuden am Hafen gab es eine Reihe ungenutzter Räume; Menena und Nekhebit statteten zwei davon mit Liegen, Decken, Tischen, Lichtern und Waschgerät aus. Zuerst hatten sie im größeren der beiden Räume ein breites Bett aufgestellt; Ninurta wollte es anders haben. Die Entfernung zwischen ihm und Lamashtu vergrößerte sich ständig. Sie gingen freundlich miteinander um, aber Gier und Gemeinsamkeiten waren vergangen, wie Gefangenschaft und Flucht und Mühsal. Manchmal setzte die Babilunierin sich abends zu ihm und den beiden Römer, und tagsüber half sie beim Räumen, Umräumen, Aufräumen und der Ergänzung der Verzeichnisse. An anderen Tagen lief sie durch den Ort oder die Umgebung, sammelte Kräuter, redete mit Leuten. Dreimal kehrte sie spät nachts in Begleitung heim, ohne sich blicken zu lassen, und morgens war der Mann (oder die Männer) wieder verschwunden.
    Die Stadt zwischen dem steilen Westhang des Okyru-Bergs und dem flachen, von zwei Molen gebildeten Hafen bot etwa fünftausend Menschen Platz; an der nördlichen Küste und im Binnenland gehörten zahlreiche Dörfer zum Bereich des Fürsten Keleos, der mit Tlepolemos ziehen würde. Die Festung auf dem Berg, in die sich, wie erzählt wurde, bei Gefahr bereits mehrmals die gesamte Bevölkerung zurückgezogen hatte, würde nur noch der Familie des Fürsten, den Dienern, einem Unterführer und einer kleinen Schutztruppe als Unterkunft dienen. Ninurta bedauerte den Weggang des Fürsten; Keleos war nur wenig älter als er, verlangte mäßige Abgaben (»mir ist lieber, ihr zahlt zwanzig Jahre lang ein Zehntel statt einmal drei Zehntel, denn dann würdet ihr im nächsten Jahr eure Geschäfte woanders machen«) und hatte sich in vielen Gesprächen als angenehmer, lebhafter und wißbegieriger Mann gezeigt.
    In den ersten Tagen tat Ninurta nichts. Er ging zu einem Bader, ließ sich reinigen, salben, ölen und scheren, ließ frische Kleidung für sich und Lamashtu anfertigen und erforschte die Garküchen des Orts. Er war nie dick gewesen, aber nach Flucht und Wanderung bestand er, wie er fand, aus zuviel Knochen unter den Muskeln.
    Von Menena hatte er erfahren,

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