Trojanische Pferde
Angies Tod hast du dich verkrochen und dir die Decke über den Kopf gezogen. Du gehst überhaupt kein Risiko mehr ein.«
»Wo kommt das denn jetzt her?«
»Guck dich doch an. Früher bist du im Aston Martin Rennen gefahren mit diesem Arschloch Kovarik, auf dem bescheuerten Sommer-Rundkurs, den ihr reichen Typen euch ausgedacht hattet. Du hast Bungee-Jumping gemacht und lauter solchen verrückten Scheiß.«
»Mit dem ganzen Mist hab ich aufgehört, nachdem ich Angie kennengelernt hatte.«
»Hör doch auf. Die Peru-Reise mit Angie? Ihr beiden seid, zwei Tage vor eurem Besuch beim Schamanen, an einer sechzig Meter hohen Steilwand herumgeklettert. All solche Sachen machst du überhaupt nicht mehr.«
Nach kurzem Schweigen sagte Daniel: »Wo soll das hier eigentlich hinführen?«
»Wo willst
du
noch hin? Du warst mal einer, der das Risiko liebte, ein erstklassiger Investmentbanker, der immer am Limit gelebt hat, aber seit Angie tot ist, lässt du dich auf nichts mehr richtig ein.«
»Sammy …«
»Komm mir nicht mit ›Sammy‹. Du hast ein halbes Dutzend Freundinnen gehabt …«
»Fünf.«
»… Na gut, fünf – und hast aber keine von ihnen wirklich an dich rangelassen. Du hast Angst vor neuem Liebesleid. Aber es wird langsam Zeit«, sagte Sammy. »Zeit, wieder etwas zu riskieren. Gib mal jemandem einen Vertrauensvorschuss. Geh eine neue Beziehung ein. Bring dein Leben zurück in die Spur.«
3. J ULI, LAUFENDES J AHR . N EW Y ORK C ITY .
Habib hasste es, in Anzug und Krawatte herumzulaufen, aber wenn das der Preis dafür war, nicht in der verdammten saudischen Wüste schwitzen zu müssen, dann wollte er ihn mit Freuden zahlen. Wenngleich man sagen musste, dass New York City mit seinen fünfunddreißig Grad und vierundachtzig Prozent Luftfeuchtigkeit auch nicht grad einen freundlichen Lebensraum darstellte, vor allem, wenn man einen Nachtflug hinter sich hatte.
Habib betrat die Adresse Park Avenue zweihundertneunundneunzig durch die Drehtür und fühlte den lindernden Luftschwall der Klimaanlage. Er klatschte einen in New York ausgestellten Führerschein mit einem Namen, der nicht sein eigener war, auf den Tresen des Sicherheitsdienstes. »Ich möchte zu Kovarik & Co.«, erklärte Habib.
Die Büroräume von Kovarik & Co. waren ausgestattet, als wäre man schon länger im Geschäft als die Rothschilds. Der Empfang roch nach altem Leder. Habib überquerte einen persischen Teppich – einen Tabriz, der mindestens dreihundert Jahre alt sein musste –, vorbei an ledernen Klubsesseln und aus dem neunzehnten Jahrhundert stammenden englischen Holzsesseln auf eine Empfangsdame von Anfang bis Mitte zwanzig zu. Unter dem Ölgemälde irgendeines Großvaters sitzend, stellte sie sich als Tracy vor und erhob sich dann eifrig, um Mr Kareem Kapur in das Konferenzzimmer zu führen, wo er bitte so freundlich sein wollte, noch einen kleinen Moment auf den Gründer von Kovarik & Co. zu warten.
Während der fünfzehn Minuten, die Kovarik ihn warten ließ, ging Habib noch einmal in Gedanken durch, warum Kovarik die perfekte Wahl war: Der Mann gibt seine Stellung als Goldman Sachs’ führender Öl- und Gaspartner auf, um seine eigene kleine Investmentbank aufzumachen; zurück lässt er, sagen wir, achtzig Prozent seiner vermeintlichen Kunden, die in Wirklichkeit eben Goldmans Kunden sind; die neuen Büroräume, die er während der Umbauarbeiten erst mal gar nicht nutzen kann, kosten ihn, sagen wir, einhunderttausend Dollar im Monat, und dann kommen noch die schätzungsweise drei Millionen hinzu, die er in die Renovierung gesteckt hat; und dann, gerade als er mit seiner neuen Firma an den Start geht, muss er, falls er kein kompletter Vollidiot ist, erkennen, dass er das Rennen um die Vertretung von Jassar plus OPEC im Rahmen ihres globalen Akquisitionsprogramms verlieren wird, weil Jassar auf keinen Fall eine namenlose Start-up-Firma engagiert.
Habib spürte das Kitzeln freudiger Erwartung.
Endlich tauchte Kovarik auf, ein Dandy mit Seidenkrawatte und passendem Einstecktuch, gestärktem Hemdkragen und einem offenen Knopf am Sakkoärmel, damit man sah, dass der Anzug maßgeschneidert war. Er hatte einen hinkenden Gang, offenbar von einer alten Verletzung her, und roch nach sehr viel Eau de Cologne. »Bob Kovarik. Tut mit leid, dass Sie warten mussten«, sagte er fröhlich und nicht im Mindesten zerknirscht. Dann ergriff er ohne Umstände das Wort und ließ sich ausführlich darüber aus, wie er in Harvard studiert,
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