Trojanische Pferde
Einsatz und schien imstande, sich bei Bedarf eine Unergründlichkeit zuzulegen, die, wie ihm langsam dämmerte, nicht nur mit dem Pokergesicht zu tun hatte, das man bei diesem Spiel halt aufsetzt.
Schön. Faszinierend. Aber auch rätselhaft.
»Ich hätte wieder 7-Card Stud ansagen sollen.«
»Scheint keine große Rolle zu spielen, was Sie ansagen«, lachte Lydia. Der Pot in der Mitte war zwar durchaus bescheiden, aber immer noch üppig im Vergleich zu Daniels schwindendem Vorrat an Spielmarken. Lydias Gewinn stapelte sich vor ihren übereinandergeschlagenen Beinen.
»Also dieser Jassar, der saudische Prinz«, sagte sie, während sie eine Karte mit dem Gesicht nach unten ablegte. »Ich bekomme eine.«
»Eine?«
»Wer hat, der hat. Also, der Prinz Jassar, hat er Ihnen schon gesagt, was Sie für ihn tun sollen?« Ihre Karten in einer Hand haltend, beugte sie sich vor.
»Nicht genau.« Daniel fragte sich, ob einer der Hauslehrer in ihrer Kindheit vielleicht Mathematiker gewesen sei. Oder professioneller Glücksspieler. Fast Eddie Fauchert.
Wer ist sie?
Zum einen war sie verdammt geistesgegenwärtig, und nicht nur beim Kartenspielen. Wenn sie sagte, sie sei Modefotografin, okay, dann stimmte das wohl auch. Aber sie war ganz und gar kein weltfremder Künstlertyp, dem er erst einmal erklären musste, was er eigentlich machte. Der Schilderung seiner jüngsten Geschäftseinfädelungen hatte sie problemlos folgen können und sogar echtes Interesse an dem in Aussicht stehenden Saudi-Projekt gezeigt. Er rief sich in Erinnerung, dass er sie erst vor vierundzwanzig Stunden kennengelernt hatte. Ihre Verwandlung beim Spiel unterstrich das nurnoch. »Bisher hat er nur durchblicken lassen, dass er ein Akquisitionsprogramm über mehrere Jahre auflegen will und dafür einen oder vielleicht zwei hauptverantwortliche Berater sucht.«
»Ich hoffe, dass Sie beim Investmentbanking besser sind als beim Kartenspielen.«
Das war ein Verstoß gegen die Regeln. Sticheleien, um sich einen weiteren Spielvorteil zu verschaffen. Gut möglich, dass er hier bald mal richtig ärgerlich würde. Er konzentrierte sich auf seine Karten, bemerkte aber aus den Augenwinkeln, dass sie ihn über ihre Karten hinweg musterte. Er antwortete nicht.
»Tschuldigung. Wollte nur mal sehen, wie weit ich gehen kann bei Ihnen.«
»Sie kennen sich also mit diesem Spiel aus.«
»Ich bluffe, Daniel, aber ich lüge nicht.« Sie schien jetzt seine Gedanken zu lesen, nicht nur seine Karten. Ihm wurde klar, dass er sich allzu viele Gedanken über sie machte.
Lass locker. Genieß es einfach und erfreu dich an ihr
. Sie sah ihn durch ihren Haarvorhang hindurch erwartungsvoll an, ähnlich wie gestern Abend in Jonathans Garten. Er spürte ein Kribbeln auf der Haut.
Daniel nahm zwei Karten auf. Ermutigt von den zwei Paaren, darunter Damen, die er jetzt auf der Hand hielt, ging er aufs Ganze und setzte alle Spielmarken ein, die er noch hatte. Kurz darauf war alles vorbei.
»Drei Könige«, sagte Lydia und schaufelte sich den Gewinntopf in den Schoß. Daniel rutschte über das Sofa und machte Anstalten, sie in die Arme zu nehmen. Sie wich glucksend zurück. »Du zerdrückst mir meinen Gewinn«, sagte sie.
Er zog sie an sich und küsste sie.
6. J ULI, LAUFENDES J AHR . M ILFORD , P ENNSYLVANIA .
»Wie wär’s, wenn du dich hier noch ein bisschen amüsierst, und wir treffen uns dann heute Abend in der Stadt zum Essen?«, sagte Daniel. Lydia lag, die Beine untergeschlagen, in seinem Bademantel auf demSofa im Wohnzimmer. Seine Aktentasche und die Sporttasche, die sie ihm gekauft hatte, standen griffbereit in der Nähe. Er war fix und fertig angezogen.
»Klingt reizvoll. Aber ich muss erst morgen wieder arbeiten. Hättest du was dagegen, wenn ich heute noch hierbleibe und wir uns morgen Abend in der Stadt treffen?«
»Aber nein, mach es dir hier gemütlich. Ich wünschte nur, ich könnte bei dir bleiben, aber ich treffe mich morgen zum Mittagessen mit Prinz Jassar und ich brauche die Zeit heute im Büro, um mich vorzubereiten. Wie gesagt, das könnte sich als sehr bedeutsam erweisen. Ich bin einigermaßen aufgeregt.«
»Ich weiß.« Sie zog seinen Kopf zu sich heran und küsste ihn. »Bist du kurz davor, engagiert zu werden?«
»Ich hoffe, beim Mittagessen abschließen zu können.«
Daniel gab ihr einen letzten Kuss, dann riss er sich von ihr los. Ihm war daran gelegen, zeitig loszukommen. Er blickte zur Uhr.
Sechs Uhr dreißig. Ich kann um acht im Büro sein und habe
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