Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trojanische Pferde

Trojanische Pferde

Titel: Trojanische Pferde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Lender
Vom Netzwerk:
Schwestern.
    »Einsam?«, fragte Nafta nach einer Weile.
    »Leer. Leute, die mir fehlen. Und ich kann nicht umhin, mich zu fragen: ›Ist das alles, was du mit deinem Leben anstellen willst?‹ Früher habe ich an die Liebe geglaubt als etwas, das jeder irgendwann finden würde. Heute bin ich mir nicht mehr so sicher, und das macht mich ein bisschen ratlos.« Mit untergehakten Armen setzten sie den Weg fort. »Ich hätte gern wieder etwas, an das ich glauben kann.«
    »Das Geheimnis ist, sich zu beschäftigen. Tage voll bis an den Rand. So kommt man nicht ins Grübeln. Und es geht einem gut.«
    »Daran bin ich gewöhnt.« Sasha blickte auf den Boden. »Ich schätze, das mache ich schon lange so.«
    Naftas Gesicht hellte sich auf. »Bald fängt die Saison an der französischen Riviera an«, sagte sie. »Dann nimmt das Leben wieder Fahrt auf. Ibrahim bekommt unterrichtsfreie Zeit und wird von Jassar an einer längeren Leine gehalten.«
    »Ja.« Sashas Gefühle gerieten wieder in Wallung. »Ibrahim nimmt mich in ein paar Wochen mit nach Paris.«
    »Sei vorsichtig, Schwester«, sagte Nafta. »Denk dran, ich bin schon ein bisschen länger dabei als du. Lass dich nicht von deiner Fantasie – oder deinem Herzen – zu dem Glauben verführen, du hättest etwas gefunden, nur weil du es dir ersehnst. Mach dich nicht selbst unglücklich.«
    Sasha drückte ihren Arm, dankte ihr ohne Worte. Es war ein guter Rat.

    M ÄRZ, VOR ZWEIUNDZWANZIG J AHREN . P ARIS , F RANKREICH .
Sasha fühlte sich immer wie eine Prinzessin, wenn sie die Gangway eines der königlichen Learjets hinabschritt und dabei etwas anderes als eine schwarze Abaya trug. Heute waren es ein nachtblauer Kaschmirmantel, der bis zu den Knöcheln reichte, eine Zobelmützeund weinrote Handschuhe, denn in Paris herrschte spätwinterliche Kälte. Dabei kam es ihr weniger darauf an, sich ein bisschen Eitelkeit zu genehmigen, als auf die Rolle, die Ibrahim dabei spielte. »Reizend«, sagte er, die dunklen Augen fest auf sie gerichtet, ihr die Hand reichend, als sie die letzte Stufe der Gangway nahm. Er selbst war in hellbraunen Kaschmir gewandet, zu dem der blaugoldene Seidenschal, den Sasha ihm für diese Reise geschenkt hatte, einen kühnen Kontrast setzte. Für einen Moment blieben die beiden stehen und schienen sich mit anderen Augen zu betrachten als bisher. Wie Flitterwöchner.
    Als sie in die Limousine stiegen, fragte sich Sasha, wie lange es dauern würde, bis Ibrahim anfing, nach seinem Silberkästchen mit dem Kokain zu kramen, das während der gesamten zehn Stunden des Fluges von Saudi-Arabien unter Verschluss geblieben war.
Entspann dich
, sagte sie sich.
Genieß die Reise.
Sie hatte Ibrahim eine Woche lang für sich, und sie wollte die Möglichkeiten austesten, die sie für sie beide im Auge hatte.
Eine Woche
. Und sage und schreibe in Paris.
    Sie hakte sich bei ihm unter und sog den Duft seines Mantels und seines Parfüms ein. Er sagte: »Wie wär’s mit einer Spazierfahrt durch die Stadt, bevor wir ins Hotel gehen?«
    »Ja, toll«, sagte sie. Es war neun Uhr abends, die Lichter von Paris würden für die richtige Stimmung sorgen. War er auch romantisch aufgelegt?
    Ibrahim sprach mit dem Fahrer. Über Montparnasse näherten sie sich der Innenstadt, passierten den Eiffelturm, dann überquerten sie die Seine. Als sie am Invalidendom vorbeikamen, wandte Sasha sich Ibrahim zu. »Danke für die Reise«, sagte sie. Sie küsste ihn. »Ich brauchte das mal. Ein bisschen Ruhe, fern von allem.«
    »Ja, es ist schön, mal rauszukommen«, sagte er.
    Sie spürte einen Stich der Enttäuschung. Hatte sie ihre Hoffnungen zu hoch gehängt oder las sie zu viel hinein in das, was er sagte? Beziehungsweise nicht sagte?
Hör auf, dich wie ein Schulmädchen aufzuführen
. »Wie viel Zeit wirst du mit geschäftlichen Angelegenheiten verbringen?«
    »Morgen konferiere ich den ganzen Tag mit den Bankiers über das landwirtschaftliche Förderprogramm, Dienstag geht es weiter und, je nachdem, wie weit wir kommen, auch noch einen Tag länger. Wahrscheinlich werden wir ein-, zweimal zusammen essen gehen.«
    »Klingt, als müsste ich mich einen großen Teil der Zeit allein amüsieren«, sagte Sasha. Sie ließ sich die Enttäuschung anmerken. Ibrahim warf ihr einen verdutzten Blick zu, bevor er mit hochmütiger Unbewegtheit aus dem Fenster sah. Sie fühlte sich einsam.
    Sasha überlegte, was sie auf eigene Faust in Paris unternehmen konnte. Immerhin kannte sie eine Menge Leute. Zuletzt

Weitere Kostenlose Bücher