Trojaspiel
sich gefürchtet. Außerdem war da ein Messerwerfer gewesen, fuhr es ihm durch den Kopf. Er hatte lange blitzende Dolche auf eine Wand geworfen, an der Spielkarten befestigt waren. Die Kinder durften ihm die Karten zurufen, die er treffen sollte. Die Griffe der Dolche waren blutrot gewesen, und die Klingen vibrierten noch lange im Holz. Seine Mutter summte ein Lied mit, als das Orchester spielte. Es war ein Kinderlied, aber es klang, als würde es gespielt werden, um die Kinder auszulachen.
Herr Asruni hatte einen wäßrigen Blick, das lag vielleicht am Wodka oder auch an der leichten Brise, die seewärts kam. Er starrte meistens auf den Boden, und die Wodkaflasche, die in seinen plumpen Fäusten baumelte, hatte er anfänglich unsinnigerweise noch mit der Handfläche bedecken wollen, obwohl er doch immer wieder aus ihr trank. Aber er wußte vielleicht, daß es nicht schön sein konnte, eine Geschichte wie die seine zu erzählen und dabei eine Schnapsflasche in der Hand zu halten. Es konnte einen falschen Eindruck machen. Es machte jedenfalls einen besseren, wenn man sie zu verbergen suchte, obwohl der andere sie schon längst gesehen hatte. So oder so ähnlich dachte wohl der Knabe. Aber warum mußte Asruni gerade dem Jungen, der noch immer nicht sprach, seine Geschichte erzählen? Und wenn er sie gerade ihm erzählen wollte, warum hatte er sich dann auch mit dem widerwärtigen Griechen ausgetauscht? Spielte es denn gar keine Rolle, wer sein Zuhörer war? War er nur verzweifelt? Aber dann – dann war seine Flucht doch schon so gut wie gescheitert, bald würde er sich erneut dem Nächstbesten anvertrauen, und schließlich würde jemand kommen, der ihn verriet. Er sollte besser schweigen, dachte der Junge, und sein Geheimnis bewahren, aber er hörte trotzdem weiter zu.
»Die Chascha war die Frau des Messerwerfers«, fuhr Asruni fort, und der Knabe zuckte zusammen, doch sein Gegenüber bemerkte es nicht. »Sie war keine Artistin. Sie war nur seine Frau. Eigentlich wollte sie Schauspielerin am Theater werden. Ich geriet an sie, weil sie einen kleinen französischen Pudel hatte. Auf den Pudel war sie sehr stolz, weil er klug war, und so ein Tier auch nicht gerade wenig Geld kostete. Nur war das Hündchen auch sehr verzogen. Es war im Charakter das Bild seiner Herrin, wie es Tiere ja oft sind. Ihr Mann konnte das eigenwillige Wesen nicht leiden und drohte, es zu erschlagen. Es ist ihm nicht eingefallen, daß jenes Tier ihn nicht leiden mochte, weil seine Frau ihn ebenfalls nicht ausstehen konnte. Immerhin besaß er viel Geld. Aber vielleicht wäre sie ohnehin bald von ihm fortgegangen . . . Chascha war eine Schönheit. Trotzdem wollte sie beim Zirkus bleiben. Ich begann also den Pudel zu dressieren. Es gelang mir nur, ihn mir gegenüber folgsam zu machen. Dem Messerwerfer führte er dann kleine Kunststückchen vor, die ich ihm beigebracht hatte, um seinen Willen etwas biegsamer zu machen, ich hatte eigentlich nur mit ihm gespielt, allein so kann man ein Tier dressieren. Aber der Messerwerfer begann zu glauben, der Hund wolle sich über ihn lustig machen. So wie Chascha es tat. Ich erfuhr von ihr, daß sie sich deswegen so grell schminkte, denn das tat sie auch privat, weil er sie immerzu prügelte. Einmal habe ich es auch gesehen und bin einfach weggegangen. Chascha hat sich die Variante mit dem Schuster ausgedacht, so bekam auch sie endlich Arbeit im Zirkus. Wir verbrachten viel Zeit miteinander. Einmal geriet ich auf einer Feier mit Kaporovski, so hieß der Messerwerfer, aneinander, und er sagte, daß die Hunde mir nur deswegen folgten, weil sie ihresgleichen am Geruch erkennen. Ich habe nicht sofort verstanden, was er meinte, aber alle lachten, und dann begriff ich, daß er mich beleidigen wollte. Aber Chascha hat mir dafür später einen Kuß gegeben. Kaporovski hätte den anderen niemals gezeigt, daß er eifersüchtig war auf mich, dafür war ich zu unansehnlich. Der Messerwerfer war ein sehr stattlicher Mann, und er war gewohnt, auf andere herabzusehen. Die Kinder im Zirkus liebten ihn. Er war sehr groß, immer schwarz gekleidet und sah gefährlich aus. Und doch sprach er mit ihnen, als wären sie seine Brüder und Schwestern. Aber Chascha sagte, die Kinder würden mich noch mehr lieben als ihn, weil Kinder gerne lachen und weil sie Tiere mögen, genau wie ich. Seine Eifersucht, die ließ Kaporovski allein an Chascha aus, und er schlug sie noch mehr. Dann, eines Nachts, kam sie zu mir. Ich schickte sie
Weitere Kostenlose Bücher