Trolljagd
Sekunden später schlichen sie sich bereits wieder an sie heran. »Können wir bitte hier verschwinden?«
»Nein, ich muss meine Schwester Cassy finden!«, schrie der Zwerg.
»Cristobel?«, rief ein dünnes Stimmchen aus einem Hauseingang am Ende der Straße. Eine Zwergin mit blonden Haaren und blauen Augen tauchte aus den Trümmern auf. Als sie ihren Bruder sah, fing sie an zu rennen, und sie umarmten sich so fest sie konnten.
»Der Göttin sei Dank, ich dachte schon, sie hätten dich auch erwischt.« Er suchte sie nach Verletzungen ab, aber glücklicherweise war sie unversehrt. »Was ist passiert?«
Sie sah mit tränenerfüllten Augen zu ihm auf. »Es waren die Trolle. Sie beschuldigten uns, Feinden des Königreichs Schutz zu gewähren, und wollten, dass wir sie ihnen auslieferten. Als wir ihnen sagten, dass wir davon nichts wüssten, fingen sie mit dem Gemetzel an.« Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie auf diese Weise die furchtbaren Erinnerungen loswerden. »Cristobel, sie haben behauptet, dass du es warst, der einen von Ordens Männern getötet und Oberweltlern zur Flucht verholfen hat.«
»Ich fürchte, es ist meine Schuld.« Lucy trat einen Schritt vor. Sie versuchte zu lächeln, aber es gelang ihr nicht ganz. Sie war vollkommen blass geworden und schwitzte ungewöhnlich stark.
»Wer seid Ihr?« Cassy beäugte Lucy argwöhnisch.
»Sie ist eine Freundin. Sie hat mir das Leben gerettet und einen der Trolle im Kerker getötet«, erklärte Cristobel seiner Schwester.
»Gut, einer weniger.« Cassy spuckte auf den Boden. »Ich hasse sie für das, was sie uns angetan haben, Bruder. Ich wünschte, sie hätte nicht nur einen, sondern alle getötet.«
»Cassy, sag so was nicht. Dein Herz ist viel zu rein, um es von solchem Hass beschmutzen zu lassen. Gibt es noch mehr Überlebende?«, fragte Cristobel.
»Ja, einige von uns konnten entkommen und haben es bis in den Tunnel unter dem Tempel geschafft.«
»Gut. Wir sollten ebenfalls dort Deckung suchen. Die Trolle werden ganz sicher zurückkehren. Zum Tempel geht es hier entlang.« Cristobel bedeutete Lucy, ihm zu folgen.
»Da sage ich nicht nein.« Lucy machte einen Schritt und schwankte plötzlich.
»Geht es Euch nicht gut?«, fragte Cristobel besorgt.
»Doch, ich fühle mich nur nicht gerade besonders fit. Verdammte Dornen …« Das war das Letzte, was sie sagte, bevor sie in seinen Armen ohnmächtig wurde.
»Wird sie es schaffen?«, fragte Cassy, die Lucy ängstlich betrachtete. Die Hexe verdrehte die Augen, was ihr ein schreckliches Aussehen verlieh.
»Ich weiß es nicht.« Cristobel kniete neben ihr und berührte ihre Stirn. Sie war glühend heiß. Hastig suchte er ihren Körper nach einer Verletzung ab. Er drehte sie auf die andere Seite und strich mit seinen Händen über ihre Beine und ihren Rücken. Als er ihren Arm erreichte, verdüsterte sich seine Miene.
»Was ist los, Bruder?«, fragte Cassy, die nun ebenfalls neben Lucy kniete.
»Cassy, gib mir deinen Dolch.« Er streckte die Hand aus, und Cassy gab ihm die Waffe. Dann verfolgte sie aufmerksam, was er tat. Vorsichtig ritzte er die Unterseite von Lucys linkem Bizeps auf und löste ein kleines Stückchen Haut ab. Er hielt es ins Licht und konnte so die kleinen Stacheln erkennen, die in ihm steckten. »Sie muss im Kampf gegen die Slovs etwas abbekommen haben.«
»Slov-Gift!« Cassy sprang unwillkürlich zurück, als fürchtete sie, das Gift könnte auch sie infizieren.
»Genau.« Cristobel setzte Lucy aufrecht hin und fühlte ihren Puls. »Sie ist sehr schwach. Wir müssen sie zu den Heilern bringen.«
»Die Heiler sind die Ersten gewesen, die den Klingen der Trolle zum Opfer gefallen sind. Sie sind fast alle tot, und die wenigen, die es überlebt haben, sind geflohen«, erklärte Cassy.
»Dann musst du ihr helfen, Schwester.«
»Ich? Cristobel, ich bin keine Heilerin. Mutter hat mir ein paar Zaubertränke beigebracht, aber ich bin längst nicht erfahren genug, um das Gift von einem Slov zu bekämpfen.«
»Du musst es wenigstens versuchen, Cassy. Ich schulde es ihr und Redfeather.« Er dachte an den alten Mann, der sich selbst geopfert hatte, damit sie fliehen konnten.
»Also gut«, stimmte Cassy schließlich zu. »Schaffen wir sie nach unten.«
Marsha arbeitete mittlerweile schon so lange, dass sie kaum noch die Augen offen halten konnte. Liebend gern hätte sie ihre Aufgaben jemand anderem zugeteilt, nur um ein paar Minuten Schlaf zu bekommen, aber Angelique hatte ihr befohlen,
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