Tropfen im Ozean
anderen zusammen in der Sauna gewesen war, war auch Emilie dazugekommen und ihr Blick nahezu permanent auf meinen Oberkörper gerichtet gewesen.
„Mann, das sieht ja aus, als hättest du drei Jahre lang gestillt“, sagte sie, während ihr wieder alle Blicke der Männer in der Sauna gewiss waren. Warum war sie überhaupt hier? J hatte eine Sauna im Haus! Aber der Grund war klar - und klar war auch, dass ihre Bemerkung stillos, aber wahr war. Ich würde mir also von diesem Arzt meine Brüste anschauen lassen. Im Internet hatte ich gelesen, dass man nach einer Woche wieder arbeitsfähig war und eine Woche würde ich verschwinden können. Und dann musste ich ja bei dem Arzt diesen blöden Film, den wir gar nicht machen wollten, ansprechen. Ich kam mir unehrlich und verlogen vor und mit diesen beiden fragwürdigen Anliegen klopfte mein Herz gewaltig, als ich an den Tresen trat und mich anmeldete. Ich wagte es nicht, den Film schon hier zu erwähnen, und nahm mir vor, das erst beim Arzt zu tun.
Unruhig setzte ich mich ins Wartezimmer und blätterte die Illustrierten durch. Und da war sie wieder: E!Liza, wie sie leibt und lebt, diesmal in Müll und Verpackungsmaterial gekleidet. Krepp-Pappe, mit Schmetterlingen bemalt, mit Pailletten beklebt. Geschenkfolie in Massen, die einen Petticoat formte, das Oberteil aus einem quietschgrünen Müllsack gerafft, eine Akkulichterkette, die durch den Petticoat gewunden war und ein Lichternetz, mit Gaze umwunden, das als Umhang diente. Es sah super aus, das musste ich zugeben. Ihre Figur war wirklich schön. Ein athletischer Körper, durchtrainierte Beine, schlanke Taille, schöner Busen und... ein Bluterguss am Arm. Oder hatte sie sich den hingemalt?
Mein Name wurde aufgerufen. I ch vergaß, aufgeregt wie ich war, die Zeitung zurückzulegen und hielt sie in der Hand, als ich ins Behandlungszimmer trat.
„Ach du meine Güte“, entfuhr es mir und mein Hirn setzte für eine Sekunde aus. Vor mir saß das sympathischste Gesicht der Welt. Weiche Lippen, blaugraue Augen, wuscheliges Haar, attraktiver Dreitage-Bart, ein bäriger Körper. Wie kam der denn hierher? Ich hätte niemals einen Termin bei diesem Arzt ausgemacht! Die Gemeinschaftspraxis! Ich hatte nur den Namen des praxisführenden Arztes gelesen! Er war umgezogen! Verflixt und zugenäht! Verstört starrte ich ihn an.
„Ähm...“ hörte ich seine Stimme. „Stört es Sie, dass ich nicht rasiert bin?“
„Ach, woher denn“, krächzte ich nervös. „Das steht Ihnen... sehr sogar... aber wir... wir hatten schon mal die Ehre...“ Ich brach ab und wurde flammend rot. Hätte ich doch bloß den Mund gehalten! Er hätte mich vielleicht gar nicht wiedererkannt! Und: Damals war es nur ein bisschen Botox gewesen, heute hatte ich vor, diesem Mann meine Brüste zu zeigen! Eine Hitzewelle durchfuhr mich. Oh, Gott, was sollte das werden!?
„Im Ernst? Ich kann mich... oh, warten Sie mal... doch...“ er sah mich aufmerksam an. „ Sie sind das! Die einzig unglückliche Kundin von mir! Und der ich sagte: Entweder Botox oder Krähenfüße...“
„Sie glauben gar nicht, wie sehr ich mich auf meine Krähenfüße gefreut habe!“ rief ich hektisch. „Ich konnte es kaum erwarten, wieder Krähenfüße zu haben! Respektive Lach falten!“
Erstaunt sah er mich an. „Also kein Botox heute?“
„Nein, schlimmer“, sagte ich und wurde wieder rot. „Aber vielleicht wird mir ja nach Ihrer heutigen Beratung dieselbe Erkenntnis zuteil wie bei meiner ersten und einzigen Botox-Behandlung“.
„Das wäre nicht gut für mich“, grinste er. Gott, der Mann hatte ein so anziehendes Gesicht und wenn er lachte, lachte alles an ihm, seine Augen, sein Herz, ich konnte es deutlich fühlen. Es war neu für mich, das wahrzunehmen und obendrein einen Mann vor mir zu haben, bei dem das so war.
„Sie haben mir nie Gelegenheit gegeben, das Ganze nochmals anzuschauen“, sagte er.
„Ja“, antwortete ich. „Und ich bin froh, dass ich Ihnen keine gegeben habe. Ich meine, Menschen wie Sie lacht man gern an. Ich hätte sehr darunter gelitten, das bei Ihnen nicht tun zu können. Oder nur mit gelähmten Augen.“
Er lachte. „Herrje, wie sich das anhört... gelähmte Augen! Schrecklich! Hoffentlich geben Sie das so nicht weiter!“
„Nein, keine Sorge, soll jeder machen, was er will“, murmelte ich und lächelte leicht zurück.
„Sie sehen anders aus“, registrierte er und begutachtete mein Gesicht. „...ganz anders. Jünger, frischer,
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