Tropfen im Ozean
wähnte, griff er an – es gab kaum einen besseren Ausdruck dafür. Er warf mich auf den Boden, presste mich an die Wand, drückte mich in die Autositze. Manchmal ging ich drauf ein, manchmal blockte ich ab, letzteres teils aus Berechnung, um mich wenigstens ein bisschen interessanter zu fühlen, mehr aber, weil ich seinen Blick und sein Verhalten danach nicht ertrug. Er wirkte immer wie einer, der höllischen Durst gehabt, überstürzt ein Bier hinuntergespült und erst danach gemerkt hatte, dass es lauwarm und abgestanden gewesen war.
Aber nach der Bürogeschichte war er zerknirscht gewesen, hatte mich zum Essen ausgeführt, zum ersten Mal, noch dazu ganz edel, und es war ein wirklich wunderschöner Abend geworden a lá „ich rücke dir den Stuhl zurecht“ und „ich küsse dir die Hand, gnä Frau“.
Und er hatte mich so offensichtlich umworben, dass ich Mühe gehabt hatte, das Thema auf den Tisch zu bringen, das mich beschäftigte.
„J“, hatte ich gefragt. „Warum steht mein Name nie im Abspann? Oder auf den Referenzen. Ich bin jetzt schon so lange bei dir... ich möchte, dass die Arbeit, die ich tue, gewürdigt wird.“
„Das tun wir doch auch alle, Mädel“, hatte J vorsichtig geantwortet. „Aber es geht nun mal darum, ein Markenzeichen aufzubauen, und da ist die Nennung der Firma wichtig, nicht die des Regisseurs“.
„Das sehe ich anders“, sagte ich bockig. „Wenn der Regisseur zur Firma gehört, ist es doch ein und dasselbe“.
„Weißt du, das ist wirklich nur eine Frage der Zeit“, hatte er mich beruhigt. „Wir sind doch schon auf einem guten Weg und später hab ich auch kein Problem, dass nicht nur JC im Abspann steht“.
„Du kannst JC und mich im Abspann nennen“, wagte ich mich vor. „Die Kameraleute sind auch verewigt“.
„Ja, aber nur als Kameraleute. Rob steht auch nicht beim Schnitt – und Kameraleute gibt’s wie Sand am Meer“.
Das war wahr. J hatte meine Hand gestreichelt, sie geküsst und ich hatte Angst gehabt, den Abend kaputt zu machen, wenn ich weiter bohrte.
„Wann, denkst du, ist dieser Moment gekommen, dass JC es sich leisten kann, den Namen seiner Regisseure zu nennen?“ hatte ich dann doch etwas bissig gestichelt.
„Ich hoffe doch bald. Wenn wir nicht nur Hochzeiten und Firmen filmen, sondern in eine andere Klientel eintreten“, sagte J. „Wenn wir per TV gesendet werden... dann ist das eine ganz andere Sache“.
„TV“, sagte ich und prustete. „Da greifst du aber hoch! Du warst doch derjenige, der gesagt hat, die Chancen lägen im Mittelstand... was ist denn jetzt damit?“
„Naja, ich hab mich erkundigt – warum nicht mit den großen Löwen brüllen? Wir sind gut – JC ist bereits nach kurzer Zeit bekannt geworden – schneller, als ich gedacht habe... da kommt man schon auf andere Ideen“.
„Aber der Mittelstand ist unsere Kernkompetenz“, antwortete ich. „Wir sollten da bleiben“.
„Mädel, du weißt nicht, was du sagst“, gab J abschätzig zurück und ich wurde wütend. Mädel!
„Ich weiß sehr wohl, was ich sage“, gab ich zurück. „Wie du selbst mehrfach erwähnt hast, hättest du das alles ohne mich gar nicht aufbauen können – ein Zitat von dir “, setzte ich schnell hinzu, als ich seine Miene sah.
Er schwieg. Ich trank einen Schluck Wein. Und dann noch einen. Er schwieg weiterhin. Mädel! Dummes Mädel! Kippte den Rest des Glases hinunter. Wurde wieder wütend, wollte Klarheit. Beruflich wie privat! War das zu viel verlangt?
„Ich kann ja auch woanders hingehen“, hörte ich mich sagen und plötzlich wurde mir bewusst, dass das keine so schlechte Idee war.
„Wie woanders hingehen“, mit offenem Mund starrte J mich an.
„Na, halt woanders neu anfangen“ sagte ich schnippisch. „Lieber jetzt als später. Du hast ja auch inzwischen jede Menge Personal, das dir unter die Arme greift. Ich hab’s einmal aufgebaut, ich werde es wieder aufbauen können. Immerhin komme ich von JC – da werden mich die Leute mit offenen Armen empfangen, oder nicht?“
J schnappte nach Luft. „Ist das dein Ernst?“
„Mein voller“, antwortete ich und meine Augen verengten sich, als ich mich zu ihm hinüber beugte. „Deine Idee ist nicht patentiert und das Konzept kopierbar, vergiss das nicht“.
„Du hast den Job deines Lebens, Mädel“, knurrte J und sah mich mit gefährlich glitzernden Augen an. „Und Zukunftsaussichten, die du nirgendwo anders findest“.
„Wer sagt das?“
„Ich sage das.“
„Und
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