Tropfen im Ozean
Ach, mein wunderschönes Mädchen!“
Er wischte sich die Augen, ihre Mutter war einfach nur sprachlos und küsste Sabrina bewegt auf die Wange. Dann ging sie mit einem strahlenden Lächeln auf ihren Platz, während der Vater seiner Tochter den Arm bot und sie mit einem Ausdruck in den Augen in die Kirche führte, der mir schier das Herz zerriss. Rob hatte mit der Handkamera alles eingefangen, die Augen, die Blicke, den Arm, das schwingende Kleid, und als sich Sabrina dem Eingang zuwandte, flitzte er in die Kirche und bezog Stellung. Er gab Bernd das Zeichen, auf die Braut zu halten, während er die kleine Kamera über die erwartungsvollen Mienen der Gäste schwenkte, die aufgestanden waren und sich umdrehten.
Der Brautmarsch begann. Sabrina trat ein und ein tiefes Raunen ging durch den Saal. Rob fing das ein und richtete dann die Kamera auf den Bräutigam.
Der stand wie erstarrt, den Mund offen. Seine Augen wurden feucht und waren auf seine zukünftige Frau fixiert, so voller Liebe und Bewunderung, dass mir ganz schwach in den Knien wurde. Merklich schluckte er, wischte sich die Augen, seine Lippen zitterten und entgegen jeder Etikette zog er Sabrina, als ihr Vater sie offiziell an ihn übergab, an sein Herz und hielt sie sekundenlang fest.
Ich sah, wie Rob befriedigt hinter seiner Kamera grinste. Mir aber liefen die Tränen. Ich weiß nicht, ob es Tränen der Freude oder der Sehnsucht waren. Vermutlich beides.
Die Brautleute schauten sich so verliebt in die Augen, dass der Pfarrer ganz weich wurde und wunderschöne Worte für die beiden fand. Es wurde eine fantastische Trauung, ein fantastisches Fest, und wir waren sicher, dass wir einen ebenso fantastischen Schnitt und einen weiteren Vorzeiger haben würden.
Hochzeiten waren dennoch anstrengend. Wir mussten bis zum Schluss bleiben und die gesamten Reden, Tänze, Essen und Spiele filmen und oft genug für ein bisschen Stimmung sorgen, wenn keine aufkommen wollte. Unser Engagement ging weit über das Maß eines üblichen Filmteams hinaus, aber genau das war ja das Markenzeichen eines JC-Filmes.
Je schöner das Material war, das wir schufen, umso besser das Ergebnis danach, und daher legten wir Wert auf emotionale Aufnahmen. Wir wussten, wenn die Leute sagten: „das will ich auch“, dann hatten wir unsere nächsten Aufträge sicher. Außerdem machte es Spaß, wie im Falle von Sabrina. Es lief ja nicht bei jedem so. Es gab auch Leute, die bereits den Hauch eines Vorschlags als heftige Bevormundung auffassten. Trotzdem bemühten wir uns immer, das Beste aus einem Auftrag herauszuholen.
Der Sabrina-Schnitt, wie wir ihn mittlerweile intern nannten, wurde aufgrund der so offensichtlichen Gefühle der Brautleute und der sympathischen Hochzeitsgesellschaft zu einem echten Highlight. Rob hatte einen sagenhaften Augenaufschlag der Braut eingefangen, aus diesen dunkel umrandeten, strahlenden Augen, den wir in Slow-motion wiedergaben, vermischt mit dem fassungslosen, bewundernden Blick des Bräutigams, den Tränen der Eltern, dem wohlwollenden des Pfarrers, den bewegten, weinenden Gästen. Wir hatten wundervolle Naturszenen, die wir überschnitten und mit den übrigen Aufnahmen kombinierten.
Und dann wurde Elisha aktiv. Mit Feuereifer untermalte sie den Schnitt mit stimmiger Musik, holte jeden Trick aus der Kiste und setzte so dem Ganzen noch ein Zucker- i-Tüpfelchen obenauf.
„Herrje, Elisha“, sagte Rob ganz ohne Spott. „Die wollen einen Schnitt, keinen Spielfilm“.
„Das wird aber ein Spielfilm“, konterte Elisha vergnügt. „Einer mit Happyend! Oh, dieses Kleid! Ist das nicht ein Traum?“
„Du würdest doch so was nie anziehen“, spöttelte Rob. „Ein Kapitalistenkleid! Ist ganz sicher nicht aus Jute!“
Drei Tage später war alles fertig – mehr Zeit konnten wir uns nicht erlauben – aber diese Arbeit hatte uns allen Freude bereitet. Es gab Szenen in dem Film, bei denen alle feuchte Augen bekamen, egal, wie oft wir die Stelle wiederholten. Schon während der Arbeit hatten unsere Mitarbeiter ins Studio gespitzt und einzelne Szenen angeschaut. Schließlich hatten wir ihnen Studio-Verbot gegeben und spontan beschlossen, nachts eine interne Premierenfeier zu geben, auf die wir uns schon alle freuten.
Gerda war in ihrem Element und bereitete Tabletts mit leckeren Snacks zu, ich spendierte Prosecco und Erdbeeren und dann versammelten wir uns alle vor der großen Leinwand, auf der Rob und Bernd den Film abspielen wollten. Auch das liebte
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