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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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einen neuen Pfeil aus dem Köcher. »Und jetzt, wie man in Illinois sagt: Fahr zur Hölle, du Arschgesicht.«
    Illinois? Ein Gott? Das hier muss ein Traum sein. Mr. Y ist nichts Derartiges zugestoßen. Das hier muss die Wirkung von Fernsehen und Kino und – nicht, dass ich sie oft gespielt hätte – von Videospielen auf meinen schwachen Verstand sein. Das hier ist wahrlich verrückt. Aber ich muss sagen, es gefällt mir ganz gut, als Apollo Smintheus einen Pfeil nach dem andern auf die beiden blonden Männer schießt, als wären sie Zielscheiben auf einem Schießstand für Bogenschützen. Sie sind noch nicht tot, aber sie sind außer Gefecht. Was muss man tun, um jemanden hier drinnen umzubringen? Apollo Smintheus geht zu ihnen rüber, zieht ein aufgewickeltes Seil unter seiner Robe hervor und bindet sie fest zusammen. Dann kommt er zurück und murmelt etwas vor sich hin. Und während er in dieser merkwürdigen Sprache murmelt, bildet sich allmählich ein Käfig um die beiden Männer: wie ein glockenförmiger Vogelkäfig aus Silberdraht. Als er wieder neben mir steht und sich umdreht, sind die beiden Männer gefangen und bewusstlos, wie Figuren in einem Märchen.
    »Da«, sagt er.
    »Vielen Dank«, sage ich. »Vielen, vielen Dank. Ich …« Ich sehe die Straße hinunter. Von dem Jungen mit Umhang und dem mit Cowboy-Kostüm ist nichts zu sehen. »Was ist mit den Kindern?«
    »Sie müssen sich ihretwegen keine Sorgen machen. Kaffee?«, fragt Apollo Smintheus. »Wir können zu mir gehen, und ich erkläre Ihnen alles. Verzeihung. Ich bin unhöflich. Schließlich kann ich meine Wohnung auch hierherbringen. Aber vielleicht wollen Sie Ihre hervorzaubern?«
    Ich weiß nicht, wovon er redet, also nicke ich nur. »Ihre Wohnung«, sage ich.
    Apollo Smintheus beginnt wieder zu murmeln, und zwischen dem Musikgeschäft und einer Billardhalle (die ich vorher nicht bemerkt hatte) öffnet sich ein Torbogen. Eine Art Erwachsenen-Live-Version des Mauselochs aus einem Tom-und-Jerry-Trickfilm. Ich bin mir nicht sicher, ob ich viel mehr davon ertragen kann. Falls sich das alles in meiner Einbildung abspielt, bin ich deutlich abartiger, als ich es je für möglich gehalten hätte. Vielleicht brauche ich Medikamente.
    »Hier entlang.«
    Wir gehen durch den Torbogen in einen Raum, der als Kreuzung zwischen einem Mäusebau und einem minimalistischen Apartment in Manhattan beschrieben werden muss. Der Raum ist weiß, und er wäre hell und luftig, wenn hier jemals Tag wäre und nicht grobe braune Decken vor den großen Fenstern hängen würden. An den Wänden stehen dicke Regale aus Fichtenholz, aber sie sind alle leer. Auf keinem der Tische liegt etwas. Der Boden scheint aus polierten dunklen Parkettblöcken zu bestehen, aber bei all dem Sägemehl ist das schwer zu sagen. In der Ecke des Zimmers liegt ein Nest: massenweise weiße Fusseln, die zu einer Kugel zusammengerollt sind. Apollo Smintheus führt mich durch dieses Zimmer in ein anderes, das mit dem offenen Kamin und den beiden Schaukelstühlen eher wie ein Salon aus dem achtzehnten Jahrhundert aussieht.
    »Bitte, setzen Sie sich«, sagt er. »Ich mache uns einen Kaffee.«
    Ich erwarte, dass er einen altmodischen Wasserkessel nimmt und über das Feuer hängt, aber er tut überhaupt nichts. Als ich jedoch wieder auf den Tisch blicke, steht dort ein Becher mit dampfendem schwarzen Kaffee auf einem Korbuntersetzer.
    »So«, sagt er. »Sie sind also kein Gott.«
    »Ich glaube nicht«, erwidere ich. Ich möchte lächeln, aber ich bin immer noch erschüttert und ziemlich mitgenommen nach meinem Zusammenstoß mit den beiden Männern – und den abgefuckten Kindern. »Diese Typen …«, sage ich. »Die sind nicht tot, oder?«
    »Nein. Man kann hier niemanden umbringen.«
    »Wie lange stecken sie dort in dem Käfig fest?«
    Apollo Smintheus schaukelt mit dem Stuhl. »Solange ich die Energie habe, sie dort festzuhalten. Und solange ich sie dort festhalten will. Was haben die mit Ihnen gemacht? Warum haben Sie mit denen gekämpft?«
    »Sie haben gesagt, sie würden in meinen Verstand gehen und ein Chaos darin anrichten«, sage ich. »Oder sie wollten diese Jungen schicken, glaube ich.«
    »Ach du meine Güte.«
    »Ja. Ich … ich glaube, Sie haben mir das Leben gerettet.«
    »Hier können sie Ihnen nicht wirklich etwas antun«, sagt Apollo Smintheus. »Aber ich nehme an, sie waren auf dem Weg zu Ihrem …« Und jetzt sagt er wieder ein Wort in der seltsamen Sprache.
    »Meinem was?«
    »Wie würden

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