Troposphere
Anmachholz und ein Feuerzeug.
»Ich weiß nicht, ob es so leicht ist, ein Haus anzuzünden«, sage ich.
»Wie um Himmels willen sollen wir sie dann da rauskriegen?«
»Ich weiß nicht.«
Eine lange Pause.
»Mir ist kalt.«
»Mir auch.«
Martins Bewusstsein – zumindest seine Gedankenwelt an der Oberfläche – beruhigt sich zu einem Summen physischer Empfindungen, und mein eigenes Bewusstsein scheint sich automatisch aus seinem beengenden Kostüm zu winden. Mein »Ich« ist wieder da. Wie komme ich also in Martins Erinnerungen? Die Konsole ist immer noch da, ich bemerke den »Knopf« für Beenden; ich schalte sie aus, indem ich sie mir geschlossen vorstelle. Jetzt sitze ich da in Martins Anwesenheit und verfolge ihn, ohne dass er irgendwas davon mitbekommt. Ich darf ihn nicht wissen lassen, dass ich hier bin. Aber ich will seine Erinnerungen haben. Ich will wissen, was er weiß. Mr. Y hat es in dem Buch gemacht, also sollte es mir jetzt ebenfalls gelingen, das zu tun, jetzt, da die Fiktion Wirklichkeit geworden zu sein scheint.
Kindheit!, denke ich versuchsweise. In Gedanken gebe ich dem Wort das schwungvolle, bestimmte Ausrufezeichen, mit dem ich auch Konsole! denke. Nichts passiert. Ich versuche, ein bisschen mehr mit Martin zu verschmelzen. Ich unterdrücke mich, so gut ich kann. Ich fühle, was er fühlt. Ich höre auf damit zu versuchen, ich zu sein, während ich er bin. Ich konzentriere mich auf all die Scheiße in meinem Darm und darauf, dass ich mir nicht mal sicher bin, ob ich das Rezept so sehr haben will, wie ich in einem sauberen, gutgelüfteten Badezimmer sitzen will, die nackten Füße auf einem cremefarbenen langflorigen Teppich, und einen Haufen in die Schüssel pflanze, den ganzen Abfall aus meinem System beseitige … Ich versuche es nochmal. Kindheit! Und plötzlich ist es da: das Bild eines Plastikspielzeugs, so ein Ding, das sich von einem Roboter in ein Auto verwandelt und wieder zurück. Und ich empfinde etwas bei diesem Stück Plastik: ein Verlangen, eine Hoffnung, eine Art Sieg … Project Starlight!, denke ich. Und das ist es: Ich ersticke in ihm, als mein »Ich« fast völlig aufhört zu existieren, und ich bin Martin, in der Vergangenheit … In …
… einem weißen Zimmer, Elektroden an Kopf und Brust. Das ist komisch. Es ist anders als in früheren Stadien der Untersuchung, als ich Bilder von Dreiecken, Kreisen und Quadraten in der Hand halten und versuchen musste, sie an Ed in einem anderen Zimmer zu übermitteln. Dies kommt mir eher wie dieses Fernerkundungs-Experiment vor – nicht dass ich dabei irgendwie gut gewesen wäre. Andere Burschen reisten in ihrem Bewusstsein in den Irak und zeichneten Bilder von Waffendepots und Biotechnik-Fabriken, die tief unter der Erde lagen. Ich konnte nichts von diesem Scheiß finden, wenn ich im Geist in den Irak ging. Ein paar Kamele: Sie sagten, ich hätte sie erfunden. Aber das hier ist etwas vollkommen anderes. Sie haben mir eine Flüssigkeit aus einem durchsichtigen Teströhrchen gegeben, und jetzt haben sie mich an diese Maschine gestöpselt. Ich sitze auf etwas, das aussieht wie ein elektrischer Stuhl, den man mit einem Zahnarztstuhl gekreuzt hat. Aber … Dann bin ich in einer anderen Welt.
Als ich rauskomme und mit dem Ausfüllen des Fragebogens fertig bin, sagen sie mir, dass ich an einem Ort war, der Geist-Raum genannt wird. Darauf ich: Was zum Teufel ist Geist-Raum? Niemand will es mir sagen. Aber schon bald erledige ich Botengänge für sie, unternehme Reisen in den Irak, diesmal allerdings, ohne nach Waffen zu suchen. Die es im Übrigen dort auch gar nicht gibt – wenigstens Ash zufolge, dem Leiter dieses Teilprogramms. Ich erinnere mich, wie er einmal zu mir sagte, dass die Fähigkeit zur Fernerkundung aus zweierlei besteht: 1) zu finden, was dort ist, und 2) zu finden, was zu finden man angewiesen ist. Deshalb suche ich im Irak nicht nach Waffen. Ich lese die Gedanken der Menschen. Allerdings lässt man mich nicht nahe an Saddam heran. Dafür bin ich nicht gut genug. Außerdem ist mein Sicherheitsstatus ein bisschen unsicher. Schließlich wurden Ed und ich hierfür empfohlen, nachdem die Dinge in New Orleans außer Kontrolle geraten und wir direkt an die Spitze der Transferliste gesetzt worden waren. Und eine Versetzung in ein verrücktes paranormales Projekt? Es gibt keine bessere Möglichkeit, sich unehrlicher Agenten zu entledigen. Sobald das Projekt jedenfalls in vollem Gang war, betrafen meine Missionen Leute,
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