Troposphere
Hi-EnerG-Fitnessmahlzeit. Ich nehme einen, für alle Fälle. Er ist braun und zylindrisch, mit einer pinkfarbenen, fröhlichen Beschriftung. Ich denke an dämliche Großbuchstaben auf Waren, und dann denke ich iPod. Und dann: Burlem. Darauf habe ich alle seine Dokumente gespeichert.
Natürlich.
Zurück im Zimmer dauert es nicht lange, bis ich den Laptop hochgefahren und den iPod angeschlossen habe. Ich übertrage Burlems Dateien, stöpsele den iPod wieder aus und verstecke ihn unten in meiner Reisetasche. Ich kann hören, wie der Wind an Kraft zunimmt, und stelle mir einen Sturm vor, etwas wie die LUCA-Zahlen mit durchgedrehtem Generator, auch wenn Adam gesagt hat, dass es aufgehört hat zu schneien. Ich esse drei Bananen, jede mit einer Scheibe Graubrot umwickelt. Ich trinke Limonade. Ich browse durch die Dateien. Ich stelle fest, dass Burlems Lebenslauf nicht mehr auf dem neuesten Stand ist, obwohl er sich vor drei Jahren offenbar um Jobs in den Vereinigten Staaten beworben hat. Ich finde heraus, dass er zum Zeitpunkt seines Verschwindens zur Hälfte mit einem Roman fertig war (und, frage ich mich, hatte er die Datei mitgenommen? Hat er ihn je zu Ende geschrieben?). Das erste Kapitel ist ziemlich gut, aber es steht nichts darin, was mir helfen wird, ihn zu finden. Ich kann nicht anders, als auch das Konzept zu lesen, bevor ich weitermache. Es ist nur eine Seite lang. Der Roman handelt von einem jungen Akademiker, der eine Affäre mit einer Kollegin hat, in deren Verlauf er sie schwängert. Seine Frau bekommt Wind von der Affäre (aber nicht von dem Kind) und lässt sich von ihm scheiden, und der Ehemann der Kollegin glaubt, das Kind wäre seine eigene Tochter. Als er stirbt, wird dem Mädchen die Wahrheit über seine Herkunft erzählt, und nach und nach entwickelt sich eine Beziehung zu ihrem biologischen Vater. Der Erzähler lebt allein – er hat nur Bücher um sich – und wünscht sich, er könne seine Tochter öfters sehen. Ich schließe das Dokument und durchsuche weiter seine Dateien. Ich finde das gesamte Bewerbungsverfahren, das Burlem durchmachen musste, um die Professur zu bekommen. Ich finde Briefe an den Filialleiter seiner Bank. Aber überhaupt nichts deutet darauf hin, dass er vorhatte zu verschwinden, dass er vorhatte, die Universität zu verlassen und nicht wiederzukommen. Es gibt weitere Briefe. Es gibt einen an eine Sonntagszeitung, in dem er sich über eine Karikatur beschwert, die sich am Wochenende nach dessen Tod über Derrida lustig machte. Ich lächle beim Lesen, weil ich mich daran erinnere, die Karikatur gesehen und gehofft zu haben, dass jemand einen Leserbrief schreibt. Es gibt einen Brief an jemanden, den ich nicht kenne. Molly. Ohne Nachnamen. Er ist in einem seltsamen Stil geschrieben, einem Stil, den man benutzen würde, um mit einem Kind zu reden. Dann begreife ich, dass er tatsächlich einem Kind schreibt, einem Kind – oder vielleicht einem Teenager – in einem Internat. Burlem verspricht ihr, sie bald besuchen zu kommen und ihr Geld zu geben. Was sollte Burlem mit einem Schulmädchen zu schaffen haben? Mein Kopf füllt sich mit unangenehmen Gedanken.
Dann öffne ich wieder die Datei mit dem Roman. Das Kind in dem Buch heißt Polly.
Ich lese den Brief noch einmal. Das ist Burlems Tochter; natürlich ist sie das. Mist. Das hat er mir gegenüber nie erwähnt. Ich hatte nur gedacht, er wäre ein unverheirateter – oder möglicherweise geschiedener – Mann über fünfzig. Ich wusste nicht, dass er eine schwierige Vergangenheit hatte, obwohl ich es mir hätte denken können. Er hat jedenfalls immer wie ein Mann mit einer schwierigen Vergangenheit ausgesehen.
Auf dem Brief steht keine Adresse, von der Burlems abgesehen. Aber jetzt finde ich andere Briefe – eine ganze Reihe, darunter der an den Filialleiter der Bank –, die einen Sinn ergeben. Sie sind alle an einen Dr. Mitchell gerichtet und handeln von Themen wie Schulgeld, Schikane und Nachhilfeunterricht. Ich schaue in die Briefe an den Filialleiter und finde Anweisungen, eine Einzugsermächtigung für eine Schule in Hertfordshire einzurichten. Der Verwendungszweck lautet ›Molly Davies‹. Jetzt verstehe ich. Burlem bezahlt fürs Internat seiner Tochter. Auf diesen Briefen ist eine Adresse. Die Adresse der Schule.
Mir brummt der Kopf. Könnte ich durch sie an Burlem herankommen?
Ich muss Apollo Smintheus finden.
Als ich wieder in der Troposphäre ankomme, stelle ich fest, dass der Marktplatz mehr als vier Ecken
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