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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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wandte er den Blick von mir ab. Er schaute aus dem Fenster und schwieg. Ich machte einen Scherz, der sich auf unser Gespräch bei der Konferenz bezog, so was in der Art von: »Hat der Fluch etwa weitere Opfer gefordert?« Da schaute er mich an und sagte: »Vergessen Sie den Vortrag, okay? Heben Sie sich Lumas für später auf.« Er riet mir, dass ich mich zunächst auf die eigentlichen Gedankenexperimente konzentrieren sollte: Schrödingers Katze, Einsteins Relativität und Edwin A. Abbotts Buch »Flächenland«. Er überredete mich, »Zoonomie« außen vor zu lassen, das Buch von Darwins Großvater über die Evolution, und erst 1859 zu beginnen, mit dem Jahr der Veröffentlichung von »Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl«. Außerdem erinnerte er mich daran, dass ich mich noch im Bereich der Lyrik umsehen sollte. Ich hatte keine Ahnung, was mit ihm los war, aber ich beherzigte alle seine Vorschläge. Eine Woche später war er verschwunden.
    Und hier stehe ich nun, ohne Betreuung, wie ein Experiment ohne Beobachter – Flemings Teller mit Schimmel vielleicht, oder eine nicht zusammengebrochene Wellenfunktion –, und was mache ich? Ich lese Lumas. Ich lese »The End of Mister Y«, Himmel nochmal! Leck mich, Burlem.
     

Kapitel drei
     
    The End of Mister Y
     
    von Thomas E. Lumas
     
     
    • Vorwort •
     
    Die folgende Abhandlung mag manchem Leser als reines Phantasiegebilde oder als ein Traum erscheinen, der beim Aufwachen niedergeschrieben wurde, in den fieberhaften Augenblicken, da man sich noch immer im Banne jener Zaubertricks befindet, welche der Verstand vollführt, sobald die Augen geschlossen sind. Jene Leser sollten ihre skeptische Haltung nicht preisgeben, denn es ist ihr Bestreben, hinter den Vorhang des Zauberers zu schauen, wie es das Bestreben des Menschen ist, jene eigentümlichen Fragen nach dem Was, dem Wo und dem Wie des Lebens zu stellen. Des Lebens wie der Träume. Des Bildes wie des Wortes. Des Gedankens wie der Sprache.
    Wenn man die Illusionen der Welt betrachtet, sieht man nur die Welt. Denn wo endet die Illusion? In der Tat, was gibt es im Leben, das kein Zaubertrick ist? Von den Versteinerungen, die Menschen an den Meeresküsten finden, bis zur Röhre, die kürzlich in der Royal Society zu sehen war, scheint alles um uns herum voll Phantasiegebilden und Wundern. So wie Robert-Houdin Automaten gebaut hat, um seine Illusionen zu fabrizieren, so werde ich hier vorschlagen, einen Automaten des Geistes zu erschaffen, durch den man Illusionen und Realitäten jenseits dessen sehen kann; von dem aus jemand, wenn er weiß wie, in die Automaten allen Geistes, aller Gedanken und ihrer Elektrizität springen kann. Wir schicken uns an zu fragen, was Illusion ist und welche Form sie annehmen kann, wenn es so leicht ist, in ihre Tiefen einzutauchen, wie ein Fisch in einen Teich eintaucht, und wenn die kleinen Kräuselwellen, die entstehen, weder die Wellen der Illusion noch die Wellen der Realität, sondern in der Tat diejenigen Wellen sind, die durch den Zusammenstoß beider Welten entstehen, der Welt des Großen Zauberers und der Welt Seines Publikums.
    Vielleicht führe ich den Leser in die Irre, indem ich auf diese Weise von dem Großen Zauberer spreche. Soll der Schöpfer doch Kurator werden! Und wir Geschöpfe, die wir in den Träumen einer Welt fortleben, die aus unseren eigenen Gedanken gemacht ist; während wir den Tieren und Krebsen, die auf dieser äußerst kostbaren und geheimnisvollen Erde herumkriechen und sich an ihr festkrallen, Namen geben und während wir sie in unseren Museen sammeln, halten wir uns selbst für Kuratoren. Was für eine verrückte Idee führt das Licht von allen Horizonten durch den Äther bis zu jedem Auge. Und hinter diesen Horizonten ist keine Wahrheit, sondern was wir zur Wahrheit gemacht haben, und dennoch ist dies eine Wahrheit, die wir nicht sehen können.
    Kann dieser Ort – dieser Ort, wo Träume und Automaten ein und dasselbe sind, wo die eigentlichen Fasern des Seins durch Erinnerungen gezeitigt werden, die nicht wirklicher oder unwirklicher sind als der Traum, in dem wir sie wohl wahrnehmen, und wo Fische mit nur aus Gedanken geschaffenen Mäulern und Zähnen und Flossen an der Oberfläche des mit Phantasien gefüllten Teichs unseres Schöpfers spielen – kann dieser Ort wirklich sein, der nur aus aristotelischen Metaphern besteht? In der Tat, denn allein im logos der metaphora können wir die protasis der Vergangenheit finden, jene

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