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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Arbeit denn schreiben?«, fragte ich.
    »Woran sind Sie denn interessiert?«
    Ich lachte. »An allem.« Ich zuckte mit den Achseln. »Ich glaube, das ist mein Problem. Ich will alles wissen.« Ich muss betrunken gewesen sein, das zuzugeben. Wenigstens bin ich nicht so weit gegangen zu sagen, dass ich alles wissen wollte, weil die Wahrscheinlichkeit hoch ist, dass es tatsächlich etwas gibt, woran man glauben kann, wenn man alles weiß.
    »Kommen Sie«, sagte Burlem. »Was ist Ihr Ding?«
    »Mein Ding?«
    Er nahm einen großen Schluck Wein. »Ja.«
    »Ich glaube nicht, dass ich schon weiß, was mein Ding ist. Darum geht es ja gerade bei der Zeitschriftenkolumne. Es geht um freie Assoziation. Darin bin ich gut.«
    »Also fangen Sie mit dem Urknall an und arbeiten sich durch die Naturwissenschaften, bis Sie schließlich bei Lumas landen. Es muss eine Verbindung zwischen all den Dingen geben, über die Sie geschrieben haben.«
    Ich nahm noch einen Schluck Wein. »Lumas' Ansichten über die vierte Dimension sind besonders interessant. Ich meine, er hat die Stringtheorie nicht direkt vorweggenommen, aber …«
    »Was ist die Stringtheorie?«
    Ich zuckte mit den Achseln. »Fragen Sie mich nicht. Aus dem Grund will ich theoretische Physik studieren. Jedenfalls nehme ich an, dass das der Grund ist.«
    Burlem lachte. »Ach du liebe Scheiße. Kommen Sie schon. Finden Sie die Verbindung.«
    Ich dachte einen Moment nach. »Ich vermute, fast alles, worüber ich geschrieben habe, hatte irgendwas mit Gedankenexperimenten zu tun, oder mit ›Experimenten des Geistes‹, wie Lumas es nannte.«
    »Gut. Und weiter?«
    »Ähm. Ich weiß nicht. Aber irgendwie gefällt mir die Art, wie man über Naturwissenschaften reden kann, ohne mathematische Begriffe zu benutzen, sondern stattdessen Metaphern. So bin ich an alle meine Kolumnen rangegangen. Bei jeder dieser Ideen und Theorien findet man eine kleine Geschichte, die damit zu tun hat.«
    »Das klingt interessant. Nennen Sie mir ein Beispiel.«
    »Na ja, da wäre natürlich Schrödingers Katze. Jeder kann verstehen, dass eine Katze in einer Kiste nicht zur gleichen Zeit lebendig und tot sein kann – aber kaum jemand kapiert, wie ebendieses Prinzip mathematisch formuliert wird. Dann gibt es Einsteins Züge. Alle seine Gedanken über die spezielle Relativität scheinen im Zusammenhang mit Zügen formuliert worden zu sein. Phantastisch. Und immer, wenn Leute heutzutage die vierte Dimension verstehen wollen, gehen sie auf ›Flächenland‹ zurück, das irgendwann in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts geschrieben wurde. Ich vermute, man kann auch Butler auf diese Weise betrachten. ›Erewhon‹ ist im Grunde ein Gedankenexperiment, durch das Ideen über die Gesellschaft und Maschinen ausgearbeitet werden sollen.«
    »Dann schreiben Sie eine Dissertation über diese Experimente des Geistes: Ich wäre sehr daran interessiert, so eine Arbeit zu betreuen. Nehmen Sie noch ein paar Romane und Gedichte hinzu. Ich würde Ihnen empfehlen, auch Thomas Hardy und Tennyson zu berücksichtigen. Achten Sie darauf, dass Sie sich nicht verzetteln. Machen Sie sich einen Zeitplan. Schreiben Sie keine Geschichte des Gedankenexperiments vom Anbeginn der Zeitrechnung. Nehmen Sie, sagen wir, die Zeit von 1859 bis 1939 oder etwas in der Art. Fangen Sie mit Darwin an und hören Sie mit, ich weiß nicht, der Atombombe auf.«
    »Oder mit Schrödingers Katze. Ich glaube, das war in den Dreißigern. Die Bombe ist zu real. Ich meine, das ist der Punkt, wo das Gedankenexperiment absolute Wirklichkeit wird.«
    »Vielleicht.« Burlem fuhr sich mit der Hand über die Stoppeln in seinem Gesicht. »Also, was meinen Sie? Ich schätze, wir könnten Sie ziemlich problemlos einstellen. Haben Sie einen Magister?«
    »Ja.«
    »Großartig. Dann machen wir es so. Sie können auch ein paar Lehrveranstaltungen abhalten, wenn Sie wollen.«
    »Im Ernst?«
    »Im Ernst.« Burlem gab mir seine Karte. Oben stand sein Name fett gedruckt und darunter: Professor für englische Literatur.
    Also bewarb ich mich an der Universität und verliebte mich in meine Idee. Aber dann … ich weiß nicht. Als ich anfing, bei Burlem zu arbeiten, schien ihn die Idee mit Lumas auf einmal kaltzulassen. Meine Bewerbung war erfolgreich gewesen – ich hatte vor, mich mit Sprache und Form von Gedankenexperimenten zu befassen, von der »Zoonomie« bis zu Schrödingers Katze –, und alles lief prima mit Burlem, bis ich Lumas erwähnte. Als ich das tat,

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