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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Konsole bleibt so, wie sie war, während der Umriss des Puppenhauses über Molly schwebt. Komm schon, komm schon. Ich bin jetzt potenziell zwei Schritte von Burlem entfernt. Nun ja, falls es funktioniert. Warum kommt es nicht dazu? Warum zeigt mir die Konsole nicht das Bild, das mich informiert, dass ich zu Molly wechseln kann?
    Ich denke an das Dokument von Apollo Smintheus, den Teil, an den ich mich zunächst nicht erinnern konnte:
    Sie können in der physischen Welt von Mensch zu Mensch springen (aber nur, wenn der Mensch in dem Moment keinen Schutz gegen die Welt allen Geistes hat).
    Keinen Schutz inwiefern? Das verstehe ich nicht. Ich bleibe bei Esther, behalte aber die Konsole im Blick. Sobald es auch nur flackert, springe ich zu Molly hinüber.
    »Hey«, sage ich zu Molly.
    »Hey«, erwidert sie.
    »Keine Philosophie?«
    »Hatte keine Lust.«
    Ich gehe zu meinem Bett und setze mich drauf. Aus der Traum, in aller Ruhe über Isobel nachdenken zu können. Jetzt hab ich die verdammte Molly hier sitzen. Sie schminkt sich. Ich sehe zu, wie sie pinkfarbenes Rouge und schwarze Wimperntusche aufträgt. Jetzt nimmt sie wieder den Eyeliner und schmiert sich damit voll, als wolle sie sich einer Truppe von Pantomimen anschließen, die in ihrer Freizeit als Teufelsanbeter auftreten.
    »Gehst du irgendwohin?«, frage ich.
    »Ja.«
    »Wohin?«
    »Aus.«
    »Molly.«
    »Was ist? Es ist Freitagabend, und ich will nicht in diesem Drecksloch rumhängen.«
    »Aber …«
    »Sag es einfach keinem, Esther, okay?«
    »Okay.« Ich zucke mit den Schultern. »Natürlich.«
    Tatsächlich bin ich umso früher allein, je früher sie geht. Es sei denn, Maxine kommt auch noch hoch. Ich weiß nicht, wo sie hinwollte. Sie war in Richtung Umkleideräume unterwegs – aber sie macht keinen Sport. Ich hätte sie bitten sollen, mir den Inhalationsapparat mitzubringen. Ich seufze. Der Unterricht hier ist nicht schlecht, aber von Privatsphäre kann keine verdammte Rede sein. Wenigstens habe ich nächstes Jahr mein eigenes Zimmer. Ich hätte eigentlich dieses Jahr schon mein eigenes Zimmer haben sollen oder wenigstens ein Zweibettzimmer. Aber es gibt ein »Raumproblem« und Mäuse im alten Flügel. Deshalb sind wir hier, das vorletzte Jahr nochmal von vorn.
    »Hey, Moll?«, sage ich.
    »Mit wem gehst du denn?«
    Vielleicht geht sie mit Maxine aus. Obwohl Maxine in letzter Zeit zu allen komisch gewesen ist. Aber ich habe immer noch die Hoffnung, dass der ganze Schlafsaal heute Abend ohne mich ausgeht. Stell dir vor, du bist hier ganz allein und Miss Goodbody kommt rein und … ich kann sie doch nicht Miss Goodbody nennen, wenn ich vorhabe, sie zu küssen. Oh, Isobel … Das hört sich ausgesprochen blöd an.
    »Mit niemand. Ich werde mich in der Stadt mit Hugh treffen.«
    Und dabei passiert's: das Flackern auf der Konsole. Ich springe. Ich bin in …
     
    Sie haben jetzt die Wahl.
    Sie … ich sehne mich nach Hugh. Neulich sagte jemand, er sei der gefährlichste Typ in Hitchin. Prima. Vielleicht bin ich das gefährlichste Mädchen. Das sieht er natürlich nicht so. Was sieht er? Ein Mädchen von einer Privatschule mit all den Privilegien, die er nie hatte? Einen Teenager, bloß ein unreifes Kind? Aber irgendwas muss er an mir finden, warum hat er sonst am letzten Samstag den ganzen Abend mit mir verbracht?
    Aber seitdem ist er nicht ans Telefon gegangen. Er hat mir keine SMS geschickt. Also habe ich noch einen Abend vor mir, wo ich auf eigene Faust von einem Pub in die nächste Bar und den übernächsten Club ziehe und so tue, als würde ich nicht nach ihm Ausschau halten. Ich schaue zu Esther rüber. Sie sieht in letzter Zeit wie ein Skelett aus. Das ist ein guter Grund, sie nicht darum zu bitten mitzukommen. Vielleicht wäre sie mehr sein Typ, mit ihren naturblonden Haaren und diesen riesigen Titten an diesem winzigen Körper. Ziege. Nein, ich nehme sie nicht mit. Ich muss nur wieder mit Hugh zusammen sein. Seine blöden Mitbewohner und seine Matratze auf dem Boden, und dass er Wodka aus der Flasche trinkt, während er mich vögelt – das stört mich alles nicht. Mich stört auch nicht, dass er, während ich »Hugh, Hugh« in sein Ohr flüsterte, nur einen Namen grunzte, der nicht wie meiner klang, und dass er grinste und mich eine kleine Schlampe nannte, als ich zu ihm sagte: »Fick mich hart« (wie in dieser Internet-Pornostory, die Claire im letzten Halbjahr ausgedruckt hat). Ich will ihn nicht ändern. Vielleicht muss ich nur mich ändern.
    Oder

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