Troposphere
kann Geld dafür bezahlen, in eine kreisförmigen leeren Raum mit einigen Mauern drum herum zu gehen. Ich liebe das. Man sieht diesen leeren Raum, abgegrenzt, hervorgehoben, und man fragt sich: Was soll ich mir hier ansehen? Sind die Mauern dazu da, das Nichts ein- oder die Stadt auszuschließen?
Und jetzt weiß ich genau – bizarr, bizarr –, wie Steine gemacht sind. Aber ich weiß immer noch nicht, wer die leeren Räume gemacht hat. Wer hat die Abwesenheit erfunden? Wer hat beschlossen, sie hier zu zelebrieren? Natürlich wissen die Leute nicht, dass sie Abwesenheit zelebrieren (obwohl sie es wissen sollten, das sollten sie wirklich). Sie glauben, sie besuchten etwas, etwas Greifbares – aber es ist einfach nicht mehr da. Sie glauben, dass sie durch den Besuch eines leeren, von Mauern umschlossenen Raumes durch die Zeit reisen könnten. Und darüber weiß ich auch Bescheid.
Warum denkt Burlem nicht den Namen der Stadt, in der er sich befindet?
Wo bin ich?
Jetzt habe ich die Straße überquert und stehe vor der Kirche, die Kirche, in die wir jeden Abend gehen. Wir beten nicht, aber was wir tun, ist vielleicht eine Art Gebet. Wir gehen hinein und wieder hinaus. Ich weiß nicht mal genau, was für eine Kirche das ist, obwohl ich jeden Abend da bin. Ich habe angenommen, sie müsste anglikanisch oder katholisch sein, aber sie hat eigentlich keinen Namen: Es ist keine Sankt Soundso. Aber an jedem Donnerstagabend kommen glückliche Menschen in selbstgemachten Klamotten her und machen irgendetwas Fröhliches. Na ja, sie scheinen immer fröhlich zu sein, wenn sie rauskommen. Ich glaube, an den Abenden, an denen sie nicht hier sind, gehen sie von Tür zu Tür und verkaufen irgendetwas Unsichtbares wie Hoffnung oder Seelenheil. Lura hat die Schlüssel bekommen, und niemand hat etwas dagegen, dass wir jeden Abend hineingehen. Glaube ich an das, was sie dort drinnen tun? Ja. Jetzt muss ich es. Aber ich frage mich, ob sie immer noch daran glauben würden, wenn sie wüssten, was ich weiß.
Wo wohne ich?
In der St. Augustine's Road.
Aber ich weiß, wo das ist: Das ist sein altes Haus. Warum denkt er nicht an seine jetzige Adresse hier?
Wo bin ich jetzt?
Ich gehe bergauf, wo die Straße einen Bogen macht, wie ein Fragezeichen, und man überfahren werden kann, wenn man nicht aufpasst. Oben steht ein Schild: Torquay, mit einem Pfeil, der nach rechts zeigt.
Also ist er in der Nähe von Torquay, aber ich weiß nicht mal, wo das ist. Es ist nicht genug.
Was ist passiert? Warum musste ich mein Haus verlassen?
Oh. Wo soll ich mit dieser Geschichte anfangen? Warum denke ich jetzt darüber nach? Der Hund schnüffelt weiter, auf dem Marktplatz, aber das sehe ich nicht mehr. Ich sehe … was? Wie weit will ich in Gedanken zurückgehen? Ich sehe Einstellungen im Schnellvorlauf: Die erste ist, wie vorauszusehen, der Vortrag, den ich in Greenwich über den Fluch des Mr. Y gehalten habe. Lura war da. Die Männer vom Project Starlight waren auch da. Natürlich hatte ich damals keine Ahnung, wer sie alle waren. Die einzige wirklich unschuldige Zuhörerin war Ariel Manto, und sie war es auch, die ich dauernd ansah: das Mädchen mit dem engen grauen Pullover und den roten Haaren. Ich erinnere mich, dass Lura anschließend wegging, sich ohne etwas zu sagen wieder der Gruppe um Lahiri anschloss. Dann sehe ich mich, wie ich zu viel Wein mit Ariel trinke, Fantasien nachhänge, wie ich mit ihr schlafe, und dann – das Grauen, das Grauen! – begreife, dass sie wahrscheinlich mit mir ins Bett gehen würde. Natürlich bin ich aufgebrochen, ohne das tatsächlich durchzuziehen.
Dann kam nach zwei Wochen, vielleicht auch ein bisschen später, eine E-Mail von Lura. Sie sei Naturwissenschaftlerin oder sei es gewesen. Sie wäre an derselben Universität wie Lahiri. Als sie den Titel meines Vortrags gelesen hätte, wäre sie fasziniert gewesen. Er hätte ihr gut gefallen. Sie wolle sich mit mir treffen.
Und ich dachte: Zwei Chancen zum Geschlechtsverkehr in einem Monat?
Und begriff dann, dass wie gewöhnlich eine von ihnen (potenziell) Studentin ist, und die andere zu alt.
Oder: Ich bin zu alt. Das ist die Hauptsache. Und ich weiß, dass sie mich nicht wirklich wollen können, nicht jetzt. Obwohl Dani es tat. Die farblose Dani wollte mich. Das war das letzte Mal: ich, ohne Hemd, während meine grauen Brusthaare im Licht der Neonlampen im Büro peinlich glänzten und die farblose Dani, die schwächste aller Magister-Studentinnen, sagte: »Ich
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