Troposphere
sie fragen. Aber …« Sie kichert. »O Gott. Ich soll nicht darüber reden.«
»Aber im Grunde schon, stimmt's?«
»Ja. Total.«
»Ach, grässlich.«
Soph ist wirklich abgefuckt.
Ganz überraschend kommt mir der Name Molly in den Sinn. Igitt. Wie komme ich denn jetzt auf Molly Davies? Okay. Das Mädchen ist völlig abgefuckt. Soph hat vielleicht ein bisschen mit Jim rumgemacht, um an Zigaretten ranzukommen, aber Mollys Ruf ist sozusagen legendär. Ich halte es in ihrer Nähe nicht aus; sie macht mich verrückt. Es geht nicht nur darum, dass sie keine Jungfrau ist. Ich meine, na ja, niemand hier ist noch Jungfrau (na ja, abgesehen von mir – darüber verlieren wir kein Wort), aber Molly ist ungefähr der am wenigsten jungfräuliche Mensch, den es überhaupt gibt. Letztes Jahr, als sie unseren Gemeinschaftsraum hatten und wir den lahmen im Souterrain, hat sie tatsächlich auf dem Sofa einem DJ EINEN ABGELUTSCHT. DJ = Dorfjunge. Das sind alles Prolls. Die Vorstellung, dass da Prollsoße in dem Sofa ist … Keine von uns kann den Gedanken ertragen.
»Hey, du bist so still geworden. Alles in Ordnung, Süße?«
»Ja. Ich habe über Molly und die alle nachgedacht.«
»Mach dir doch nicht den Stress, über die vom vorletzten Schuljahr nachzudenken. Das sind die nicht wert.«
»Ja, vermutlich.«
»Hast du das Deo?«
»Ja.«
Wir besprühen uns mit Deo, werfen ein paar zuckerfreie Minzbonbons ein und gehen zu den Schulgebäuden zurück. Soph ist gegen die Bonbons; sie sagt, man bekommt Krebs davon. Eines Tages hat Jules gemeint: »Ratten kriegen Krebs davon, Schwachkopf.« Jules ist irrsinnig komisch, quasi die ganze Zeit.
Da ist Helene, die französische Schlampe, auf dem Weg in ihren Schlafsaal. Guck sie nicht an, guck nicht. Oh, Mist. Warum hab ich hingeguckt …? Sie wird glauben, ich bin eine Lesbe, was gar nicht gut ist, weil alle sagen, dass sie eigentlich eine Lesbe ist, wenn sie keine Schlampe ist.
Die Frontseite eines großen Puppenhauses flackert über Helene. Aber ich versuche nicht, rüberzuspringen. Ich erinnere mich, wie es war, als ich direkt in die Troposphäre zurückgeworfen wurde. Das hier muss ich anders machen.
Konsole!
Das Ding erscheint. Auf dem Bildschirm wimmelt es vor Bildern. Ich kann sie nicht alle erkennen. Ich sehe das kleine Bild eines Schreibtischs; ein anderes, wohl eine Turnhalle. Ich sehe eine weiße rissige Decke auf einem anderen … Insgesamt sind es ungefähr zehn, und ich kann mich für keins entscheiden. Die Französin ist verschwunden. Ich gehe weiter mit Tabitha Young, alias Tabs, durch den Korridor, das Mädchen, das nach allem süchtig sein möchte. Während sie so neben Nikki geht, hört ihr Gehirn nicht auf, über die Leute zu plappern, die vorbeikommen; genauso wie über sich selbst, über ihre Socken (die zu kurz sind), ihren Rock (der zu lang ist), ihren Atem (der vielleicht doch nach Kippen riecht), und das ständig begleitet von der Angst, das Falsche zu sagen oder zu tun. Dabei ist sie jedes Mal, wenn Nikki irgendwas zu ihr sagt, in der Lage, »Mmm« und »Du hast ja so recht« zu erwidern.
Ich lasse die Konsole an. Ich frage mich, ob diese Bilder damit zu tun haben, was Tabs' Vorfahren sehen. Ich stelle auch in ihrem Fall fest, dass es keine große Ahnenreihe gibt. Auf dem Bildschirm zeigt sich nichts, was ich nicht kennen würde. Keine Höhlenmenschen, keine römischen Inschriften. Aber ich dachte, Mr. Y hätte Pedesis benutzt, um auf Zeitreise zu gehen. Vielleicht hatte ich den Teil des Buches auch missverstanden. Ich wünschte, ich verstünde das hier. Ich habe ein paar Informationen aufgeschnappt, als ich in Martins Kopf war, aber nicht genug.
Noch ein Mädchen geht vorbei, und Tabs erkennt sie, eine aus dem vorletzten Schuljahr namens Maxine, und sie versucht, sich eine coole und witzige Antwort auszudenken, für den Fall, dass das Mädchen irgendwas zu ihr sagt. Als dieses Mal die Tür über dem Bild des Mädchens aufgeht, erscheint auch ein neues Display auf dem Konsolenschirm. Ich kenne das inzwischen: Es ist das Bild von mir/Tabs, und es bedeutet – oder es muss bedeuten –, dass ich von hier nach dort springen kann, genau so, wie ich es mit Maus und Katze getan habe. Okay. Ich werde es versuchen. Ich drücke mir die Daumen: Los, los. Komm schon. Und – ja – ich verschwimme, aber hoffentlich nicht zurück in die Troposphäre …
Sie haben jetzt die Wahl.
Sie … ich stinke. Ich stinke so doll. Diese Mädchen aus dem elften
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