Troposphere
was sie nützlich finden würden …?«
»Ich glaube, es sollte wieder an seinen alten Platz«, sagte ich.
Nach Beendigung des Gesprächs ging ich in den Wintergarten und schaute mein Spiegelbild in der Scheibe an. Es war dunkel draußen, und ich konnte nur ein paar Sterne sehen, die am Himmel hingen wie ein halbherziger Versuch, ihn zu schmücken. Eine geheime amerikanische Untersuchung. Auf Ziegen starren. Die ultimative Waffe. Das klang in meinen Ohren militärisch. Ich ging zurück ins Haus und nahm das Buch in die Hand. Natürlich würde ich es Lura zurückschicken; gleich morgen. Aber ich wusste auch, dass die Männer vom Project Starlight – oder Männer wie sie – es am Ende bekommen würden. Und was würde dann geschehen? Mein Bewusstsein füllte sich mit unangenehmen Gedanken von Weltherrschaft und Gedankenkontrolle. Wenn ein repressives Regime – oder irgendein Regime – diese Mixtur in die Finger bekäme, dann … Was? Ich stellte fest, dass ich mir genau vorstellen konnte, wie so eine »ultimative Waffe« aussehen würde. Ich schickte eine E-Mail an die Hotmail-Adresse, die mir der Mailschreiber von Project Starlight angegeben hatte, in der ich behauptete, ich hätte das Buch zwar gesehen, aber es sei wieder auf dem Rückweg zu seinem Besitzer in Deutschland. Ich entschuldigte mich und versicherte ihm, dass er sich irren müsse: In dem Buch stünde kein Rezept. Und ich legte es auf den Tisch, um es später in die Post zu geben.
Aber ich wollte es nicht wirklich zurückschicken. Wenn es nun verlorenging? Beschädigt wurde? Andererseits hatte ich erst am Wochenende Zeit, nach London zu fahren und es Lura persönlich zu übergeben. Und würde sie es überhaupt sehen wollen? Vielleicht würde sie vorschlagen, es direkt zu der Bank zu schicken, damit es dort wieder ins Schließfach gelegt wurde. Es gab zu viele Möglichkeiten, und ich hatte keine weiteren Mails bekommen. Ich tat nichts. Dienstag und Mittwoch verbrachte ich in Konferenzen, einschließlich Max Trumans jährlicher Power-Point-Präsentation der Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen – die obligatorisch war, auch wenn Ariel Manto es offenbar vorzog, unentschuldigt zu fehlen. Ich habe Max' exzentrischen jährlichen Vorträgen eigentlich immer gern zugehört. Dieser trug den Titel »Wenn etwas schiefgeht«. Es war eine nicht ganz ernst gemeinte Geschichte des alten Eisenbahntunnels unter dem Universitätsgelände, die mit einem dramatischen Bericht seines Einsturzes im Jahr 1974 endete. Max hatte eine Menge schauerlicher Bilder digital gebastelt, auf denen das Newton Building einstürzte und Menschen herumliefen und einen verwirrten Eindruck machten. Er zog verschiedene Verbindungen zwischen dem Zusammenbruch der Universität und dem Zusammenbruch der Beziehungen zwischen Studenten und Lehrkörper Mitte der siebziger Jahre. Während der Tunnel einstürzte, sagte er, hätten einige demonstrierende Studenten das Sekretariat gestürmt und den Portwein des Vizekanzlers getrunken. Wir erfuhren, dass unser eigenes Gebäude 1975 errichtet worden war – direkt über dem neuausgebauten Tunnel. Max erzählte uns, dass es von unserem Gebäude aus immer noch einen Zugang zur Instandhaltung in den Tunnel gebe. Das müssten wir wissen, sagte er, damit wir die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen ergreifen könnten. An dieser Stelle fragte Mary, wie die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen aussähen.
»Fallt einfach nicht hinein«, sagte Max.
»Bei welcher Gelegenheit könnten wir denn hineinfallen?«, fragte sie.
»Na ja, bei keiner eigentlich«, sagte er. »Aber die neuen Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen verlangen, dass ich euch trotzdem davor warne.«
»Aber er ist jetzt seit fast dreißig Jahren da«, sagte jemand anderes. »Und niemand ist bis jetzt hineingefallen …«
»Wo ist der Zugang?«, fragte Mary.
»Im Fotokopierraum«, sagte Max. »Direkt neben dem Kopierer.«
»Meinen Sie dieses lukenähnliche Ding, auf dem wir alle jedes Mal stehen, wenn wir irgendwas fotokopieren?«, fragte Lisa Hobbes.
»Jep.«
»Also könnten wir tatsächlich reinfallen?«
»Nein, stellen Sie sich nicht an. Wir sind hier nicht im verdammten Wunderland von Alice. Die Bodenluke ist gut gesichert.«
»Wie ist es denn so in dem Tunnel?«, fragte Laura, die Tutorin für Creative Writing.
»Denken Sie nicht mal dran, Laura«, sagte Mary.
»Wieso?«, sagte sie. »Ich finde, wir sollten dort runtergehen und uns das mal ansehen.«
Alle stöhnten.
»Okay, okay. Ich
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