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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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nicht in die Hand bekommen und die Seite nicht gefunden. Aber vielleicht wäre es doch dazu gekommen. Vielleicht hätte ich diese Dinge schließlich auch so gefunden.
    Und mir wird klar, dass irgendjemand schließlich auch das Buch im Priorat finden wird.
    »Jedenfalls ist er aus dem Tunnel rausgekommen«, sagt sie, »und in irgendeinen Bus gestiegen. Er ist einfach aufs Geratewohl mitgefahren, bis er so weit weg war, dass er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Er ging nach Schottland und wohnte eine Weile in einer Pension und erforschte in dieser Zeit die Troposphäre – wobei er großes Glück hatte, dass er dabei nicht umgekommen ist. Er schickte mir ein Mobiltelefon und bat mich, an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Zeit in eine Kirche zu gehen, wo er mich anrufen würde.« Sie lächelt. »Es war ein bisschen wie in einem Film. Er war völlig paranoid und traute mir anfangs überhaupt nicht, und wir hatten immer wieder diese verschlüsselten Gespräche, bei denen ich in einer Kirche stand und in ein Mobiltelefon sprach – was die Kirchgänger überhaupt nicht gut fanden. Aber wir haben diese Phase überwunden. Ich bin jetzt pensioniert, wie Sie vermutlich wissen, deshalb war ich nicht mehr an London gebunden, als das alles passiert ist. Wir wollten hier zunächst vorübergehend bleiben und sind schließlich auf Dauer eingezogen. Eigentlich gehört das Haus meinem Bruder, aber wir haben eine Abmachung getroffen.« Sie zuckt mit den Schultern. »Er brauchte eine Wohnung in London, und wir haben den ganzen Papierkram erledigt, sodass wir das Haus offiziell unter Decknamen mieten. Es ist kompliziert, aber wir halten es für ziemlich sicher.«
    »Ich muss Ihnen eine Frage stellen«, sage ich. »Was steckt hinter dieser Kirchensache? Sie wissen schon, dass niemand Zutritt zu Ihrem Bewusstsein hat, wenn Sie in einer Kirche sind.«
    »Das wissen Sie nicht?«
    »Ich weiß kaum etwas, abgesehen von dem, was ich rausgekriegt habe und was Apollo Smintheus mir erzählt hat.« Ich zucke mit den Schultern. »Ich kann raten, aber …«
    »Was würden Sie denn vermuten?«
    »Dass die ganzen Gebete in einer Kirche – all die intensiven Gedanken und Hoffnungen – irgendwie das Signal verzerren, falls das einen Sinn ergibt. Sie wissen schon, wie eine Störung.«
    Sie lächelt. »Das ist gut. Das ist genau das, was ich auch denke.« Jetzt verschwindet das Lächeln. »Ich nehme an, Sie wissen von meinem Buch.«
    »Nein.« Ich schüttele den Kopf. Aber die Art, wie sie das sagt – das muss der Grund sein, weshalb sie ein Problem mit mir hat. Sie glaubt, dass ich sie so gut kenne, wie Burlem sie kennt, weil ich in seinem Kopf gewesen bin. Sie glaubt, es besteht die Möglichkeit, dass ich alles über sie weiß. Zum zweiten Mal habe ich das Gefühl, dass sie die Ehefrau ist und ich die Geliebte bin, und sie weiß, dass ihr Mann mit mir nicht nur gevögelt, sondern mir auch Sachen über sie erzählt hat. Ich erinnere mich nur zu gut daran, dass ich Affären mit verheirateten Männern hatte, deren Frauen nichts davon wussten, und wie in diesen Ehen immer der Wurm drin war. Zwangsläufig kam es immer dazu, dass mir der Typ dann Sachen über seine Frau erzählte, die ich nicht wissen wollte – und bei denen ich das Gefühl hatte, ich hätte auch gar kein Recht, sie zu wissen. Das besondere Abendessen, das sie zubereitete, um ihre Ehe wieder auf Kurs zu bringen (währenddessen er mich heimlich auf seinem Handy anrief, von der Toilette aus); das besondere Kleid, das sie kaufte, um für ihn wieder attraktiv zu sein (und in dem sie, wie er mir erzählte, alt und fett aussah). Ein Schauer überkommt mich, wenn ich an diese Gespräche zurückdenke. Ich glaube, ich habe mich nie im Leben so mies gefühlt, wie als ich diese Sachen erfuhr, und ich hörte auf, mit solchen Männern zu schlafen, weil ich mit derart tristen Dingen nichts zu tun haben wollte.
    Ich will etwas sagen, um all das wieder einzurenken, aber mir fällt nichts ein.
    »Hm«, ist ihre ganze Reaktion darauf, dass ich nichts von ihrem Buch weiß.
    Ein paar Sekunden später richten sich die Ohren des Hundes auf, und er benimmt sich, als würde gleich etwas geschehen. Zwei oder drei Minuten später höre ich Burlems Schlüssel im Schloss und spüre den kalten Luftzug, als die Haustür auf- und wieder zugemacht wird.
    Der Hund wusste Bescheid, denke ich. Der Hund wusste, dass Burlem gleich kommen würde.
    Wie funktioniert das?
    Zum ersten Mal fühle ich, wie sich mein

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