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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Himmelbett mit einer rosafarbenen Decke über einer weißen Baumwollsteppdecke. Ich verbringe meine Zeit hauptsächlich damit, auf dem Bett zu sitzen und mir Notizen über die Troposphäre zu machen. Ich tue dies vor allem, um mich von dem verzweifelten Bedürfnis abzulenken, dorthin zurückzukehren. Aber Burlem und Lura haben mir zumindest für den Augenblick verboten, wieder hineinzugehen. Sie machen sich – genau wie ich – Sorgen wegen dieser Mission, für die Apollo Smintheus mich vorgesehen hat. Außerdem ist es offensichtlich, dass es gefährlich ist, sich darin zu verirren, obwohl ich mir inzwischen sicher bin, über das U-Bahn-Netz jederzeit wieder hinauskommen zu können. Lura und Burlem scheinen von dessen Existenz allerdings nicht überzeugt zu sein, obwohl es ganz eindeutig existieren muss. Ich wünschte, sie würden einfach direkt mit mir reden, anstatt in der Küche zu flüstern und zu verstummen, sobald ich reinkomme, um mir einen Kaffee zu kochen. Ich weiß, sie wollen das Buch aus Faversham wiederhaben, aber ich weiß nicht, wie wir das anstellen sollen.
    Und ich bin mir nicht ganz sicher, was ich von der ganzen Situation halten soll. Zum ersten Mal seit langer Zeit bin ich satt, mir ist warm und behaglich, aber in anderer Hinsicht ist mein Leben vorbei. Vielleicht nicht vorbei, das ist ein bisschen übertrieben, aber alles, was ich zu »haben« glaubte – meinen Job, meine Dissertation, meine wenigen Freunde, meine Wohnung, meine wenigen Besitztümer, meine Bücher –, ich bin mir ziemlich sicher, dass das alles verschwunden ist. Und falls Lura nicht ihre Meinung über mich ändert, werde ich hier auch nicht lange bleiben können.
     
    In der Nacht von Sonntag auf Montag habe ich denselben Traum, den ich seit meiner Ankunft habe und in dem Apollo Smintheus vor mir steht und sagt: »Sie sind mir noch was schuldig.« Ich werde vom Regen geweckt, der auf das Oberlicht hämmert, und es ist vier Uhr früh. Am Montag ist der Himmel von einem stumpfen metallischen Grau, und der Vormittag wird zerrissen vom jähen Gleißen neongelber Blitze. Gegen Mittag ertönt ein einzelner Donnerschlag, und es hört auf zu regnen. Burlem hat das Radio angestellt, es wird vor einem gewaltigen Sturm mit Böen von hundertdreißig Stundenkilometern gewarnt. Aber der Sturm kommt nicht.
    Am Dienstagmorgen ist der Himmel so blau und klar wie eine Spiegelung auf poliertem Metall. Ich denke: Ist das die Ruhe vor dem Sturm? Lura beschließt, im Garten zu arbeiten, und ich sitze rauchend am Esstisch, während sie die Gartenhandschuhe sucht und nach draußen geht, ohne mit mir zu reden. Durch das Fenster sehe ich etwas auf einem der Telegraphenmasten sitzen, das wie ein Falke aussieht. Ich frage mich, ob Lura ihn gesehen hat. Er ist so wunderschön, wie etwas aus einem Buch, eher wie ein Bild oder ein Wort als ein Lebewesen, ein Objekt. Ich überlege: Entfernt uns die Sprache so sehr von den Dingen, dass wir nicht mehr an sie glauben können? Oder geht es mir nur deshalb so, weil ich so lange in der Troposphäre gewesen bin, dass es mir zur Gewohnheit wurde, Dinge so anzusehen wie jetzt den Falken und dabei anzunehmen, dass ich ihn erfunden habe und dass er eine Metapher für etwas anderes ist? Ich drücke die Zigarette aus. Vielleicht sollte ich versuchen, mit Lura Frieden zu schließen. Ich bin seit Tagen nicht mehr an der frischen Luft gewesen.
    Sie kniet neben einem der Blumenbeete und buddelt die Erde um.
    »Hallo«, sage ich, als ich auf sie zugehe. »Kann ich helfen?«
    »Nein, es geht schon«, sagt sie, ohne hochzuschauen.
    Ich sollte einfach wieder gehen, aber ich lasse nicht locker. »Bitte«, sage ich. »Lassen Sie mich Ihnen zur Hand gehen.«
    Sie seufzt. »Kellen sind im Schuppen.«
    Ich hole mir eine Pflanzkelle und ein Stück Plane, das so ähnlich aussieht wie das, auf dem Lura kniet. Ich lege meine Plane neben ihre und beginne ebenfalls zu buddeln. Das geht ungefähr fünf Minuten so, bis ich begreife, dass ich das Gespräch eröffnen muss, wenn ich eines führen möchte.
    »Es tut mir leid, dass ich hier so reingeplatzt bin«, sage ich.
    »Hm«, erwidert sie. Dasselbe Geräusch, das sie immer macht.
    »Und … Sehen Sie, ich habe schon seit einigen Tagen vor, das zu sagen. Es tut mir wirklich leid, dass ich mir Zutritt zu Burlems Kopf verschafft habe, um herzukommen. Ich weiß Dinge über Sie, die ich wohl nicht wissen sollte, und es tut mir so leid, dass ich mich da hineingedrängt habe.« Ich hole tief Luft.

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