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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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während ich meine Reise durch den Tunnel fortsetzte, und ich war wie gebannt von den kleinen Symbolen, die an mir vorbeiglitten, als wären sie auf ein Phenakistikop projiziert. Ich sah viele Kreise, die von einem Kreuz oder einer Linie unterteilt waren, und eine Fülle anderer Formen, einschließlich derer, die kleinen Flaggen, Stielen, Kisten und den seitenverkehrten lateinischen Buchstaben g, E, r und P ähnelten. Außerdem sah ich Buchstaben, die wie von der Hand eines Kindes gezeichnet schienen. Es war jedoch klar, dass nicht alle Buchstaben des lateinischen Alphabets da waren und dass sie zwischen Klein- und Großbuchstaben abzuwechseln schienen. Ich bin sicher, dass ich nur die Buchstaben y, I, z (auf französische Art mit einem Querstrich versehen) sowie 1, o, w und x erblickte. Später erschienen auch die Großbuchstaben A, B, H, K, M, N, P, D, T, V, Y und X. Bald darauf waren die griechischen Buchstaben in der richtigen Reihenfolge zu sehen, von α, β, γ und δ bis hin zu φ, χ ψ und ω. Dann beobachtete ich das lateinische Alphabet in der korrekten Reihenfolge, von A bis Z. Trotzdem tauchten hier und dort noch Hieroglyphen auf. Je weiter ich in diesen langen Tunnel vordrang, umso mehr Buchstaben nahm ich auf den schwarzen Wänden wahr, bis es mehr Licht gab als Schatten und Tausende von Buchstaben sich vor mir drängelten. Ich sah lateinische und arabische Ziffern und andere Formen, die ich nicht bestimmen konnte, weil sie mit solch ungeheurer Geschwindigkeit an mir vorbeiflogen. Außerdem gab es noch mathematische Gleichungen. Ich erkannte Newtons F = ma, aber keine der anderen.
    Kurz darauf begann ich zu spüren, dass meine Reise fast zu Ende war. Das Licht an den Tunnelwänden wurde allmählich heller, bis ich mich darin gebadet fühlte. Tatsächlich bildete ich mir einen merkwürdigen Augenblick lang ein, selbst ein Teil des Lichts zu sein. Ich konnte außer diesem strahlenden weißen Glanz um mich herum nichts mehr wahrnehmen. Ich erinnere mich recht deutlich daran, gedacht zu haben: »Das war's! Der Scharlatan hat mich umgebracht. Jetzt werde ich sehen, wie es im Himmel ist.« An den anderen Ort dachte ich nicht. Und nach einer kleinen Weile schien es mir, als wäre ich in einer himmlischen Landschaft erwacht. Ich stand allerdings nicht dem heiligen Petrus gegenüber. Tatsächlich gab es keine anderen Lebewesen, ob sterblich oder nicht, auf der sanft gewellten Wiese, die sich vor mir ausbreitete. Unter einem strahlend blauen, aber eigentümlich sonnenlosen Himmel entdeckte ich Gräser, Blumen und Bäume von der Art, wie man sie zu meiner Zeit überall in den ländlichen Regionen Englands vorfand. Ich gebe zu, dass mich in jenem Moment ein tiefes Gefühl des Friedens umfing, was mir nach der schrecklichen Angst, die mich zu Beginn meiner Reise beschlichen hatte, höchst willkommen war.
    Wie lange war ich schon unterwegs? Ich hatte keine Ahnung. In den Tiefen meines Verstands schien etwas mit kleinen Zähnen hartnäckig an mir zu nagen. Hatte ich an diesem Ort irgendetwas zu erledigen? Ich erinnerte mich an den Jahrmarktsarzt und seinen seltsamen Trank, und dann wurde ich mir auch des Grundes für meine Reise wieder bewusst. Ich war hier, um die Funktionsweise von Peppers Geist zu verstehen, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie das erreicht werden könnte, und außerdem spürte ich, dass mein Verlangen, dieses Geheimnis zu lösen, sich klein ausnahm im Vergleich zu dem überwältigenden Wunsch, dieses weitaus größere Geheimnis zu lösen, mit dem ich mich nun konfrontiert sah: Wo war ich, und wie war ich hierhergekommen?
    In demselben Augenblick, in dem mir der Grund für meine Reise wieder eingefallen war, war rechts von mir ein kleines scheckiges Pferd auf der Wiese erschienen. Kurz darauf kam das Pferd angetrabt und schnupperte an meiner Hand, und als mir auffiel, dass es komplett aufgezäumt war, wurde mir klar, dass ich aufsitzen sollte. Ich habe einige Erfahrung als Reiter, und es erschien mir als zwingend, meinen Fuß in den Steigbügel zu stecken, mich auf das Tier zu schwingen und die Zügel zu ergreifen. Kaum versetzte ich ihm einen ganz sanften Stoß, da setzte es sich auch schon elegant in Bewegung. Wiederum hatte ich das Gefühl, dass ich etwas wüsste, was ich nicht wissen konnte, und ich bildete mir ein, dass mich das Pferd an den Ort bringen würde, zu dem ich müsste. Dieses Gefühl war so stark, dass ich das Pferd einfach lostraben ließ, auf die Kuppe eines kleinen Hügels zu. Um

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