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Troposphere

Troposphere

Titel: Troposphere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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Newtons K = MB und später Einsteins E = mc 2 sehe. Ich sehe mathematische Symbole, die ich nicht verstehe, und solche, die ich verstehe: die Zeichen = und + und später Reihennotierungen wie I = {i, 2, 3, … 100}. Dann weitere Zahlenserien, die mehrere Minuten lang so an mir vorbeiziehen. Ich sehe Folgen, die überhaupt keinen Sinn ergeben, wie zum Beispiel: 1431, 1731, 1831, 2432, 2732, 2832, 3171, 3181, 3272, 3282, 11511, 31531. 31631, 32532, 32632, 33151. 33161, 33252, 33262, 114311, 117311, 118311, 124312, 127312, 128312, 214321, 217321, 218321, 224322, 227322, 228322. Zunächst denke ich, es müsse sich um Daten handeln, aber dann werden die Zahlen wieder zu groß. Dann passiert etwas anderes, etwas, das in Lumas' Version nicht beschrieben wird: Die Buchstaben aus dem Alphabet verschwinden alle und verwandeln sich in Zahlen, und dann verschwinden auch die Zahlen, bis auf 1 und 0. Schließlich habe ich es nur noch mit Millionen und Abermillionen von Nullen und Einsen zu tun, die an den Wänden ringsum wasserfallartig hinabgleiten.
     
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    Und dann wird alles weiß, und ich bin raus aus dem Tunnel.
     

Kapitel dreizehn
     
    Ich stehe in einer unglaublich dicht bebauten, schmalen Straße und habe Asphalt unter den Füßen. Vor mir ein schmuddeliges Hochhaus, das vielleicht früher mal einen glänzenden Eindruck gemacht hat. Links und rechts heruntergekommene Ladenfassaden: Ansichtskarten, Zeitungen, Schuhe, Fotoapparate, Hüte, Süßigkeiten, Sexspielzeug und Stoffballen werden da angeboten, aber keines der Geschäfte sieht aus, als sei es geöffnet. Ich glaube, hier ist Nacht: Der Himmel ist schwer auszumachen, aber das Licht ist künstlich, und ich kann etwas Schwarzes über mir sehen, obwohl es keine Sterne gibt und keinen Mond. Überall um mich herum knistern zerbrochene Leuchtreklamen, die mich an Aknenarben erinnern. Zwei oder drei flackern in Farben, die an Sex denken lassen: rouge, blütenrosa, puderweiß, aber die übrigen sehen so aus, als hätten sie das letzte Mal vor langer Zeit geleuchtet. Der Raum über den Ladenfassaden ist ein großes Durcheinander aus düsteren Natriumlampen, Straßenschildern, Fensterläden aus Wellblech und Fenstern von vielleicht mehreren hundert Wohnungen und Lagerräumen. Schilder gibt es überall, sie ragen rechtwinklig aus den Gebäuden hervor wie Post-its aus einem alten Buch. Aber ich kann sie nicht lesen.
    Kann ich mich hier vorwärtsbewegen? Ja. Ich kann einen Schritt machen und dann noch einen. Ich kann eine Gasse sehen, die nach links abgeht: noch ein unglaublich schmaler Raum. Am Ende der Gasse kann ich undeutlich etwas erkennen, das wie ein Stahlzaun mit gewundenem Stacheldrahtaufsatz aussieht. Überall sind Feuertreppen, die im Zickzack oder in Spiralen an mürben Backsteinwänden hinauf- und hinunterführen. Ein blaues Licht tanzt in einem der oberen Fenster: ein Fernseher? Also gibt es außer mir noch Leben hier, obwohl ich mich nicht besonders lebendig fühle. Mir ist nicht warm oder kalt, ich fühle mich nicht lebendig oder tot, betrunken oder nüchtern … Ich fühle gar nichts. Eigentlich ist es angenehm, nichts zu fühlen, obwohl es sich natürlich nicht direkt »angenehm« anfühlt. Es fühlt sich nach nichts an. Haben Sie sich jemals nach nichts angefühlt? Es ist erstaunlich. Vielleicht bin ich deswegen so gelassen, weil es hier keine Menschen gibt.

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