Troposphere
der Ecke an war, irgendeine Spielshow am Samstagabend, in der laute, glückliche, gesunde Familien darum wetteiferten, ein neues Auto oder eine Ferienreise zu gewinnen. Irgendwann ragte dann der Fernseher über mir auf, als könnte ich in den Bildschirm hineingehen. Aber woran ich mich am lebhaftesten erinnere, ist der Moment, als das Zimmer sich auf die Größe eines Zuckerwürfels zusammenzog. Ich sah auf das Zimmer, in dem ich mich befand, herab, aber ich war nicht mehr in dem Zimmer. Danach fragte ich meinen Freund, was da seiner Ansicht nach geschehen war. Wo war ich, wenn nicht in dem Zimmer? Er lächelte bloß und sagte: »In einem schlechten Trip, Mensch.« Was für ein Idiot. Ich schließe meine Augen und öffne sie wieder. Alles normal mit der Tür. Ich muss wirklich letzte Nacht zu viel getrunken haben.
Nach dem Frühstück überlege ich, ob ich in die Universität gehen soll, beschließe aber, hierzubleiben. Nun gut, dann kostet es eben Geld, hierzubleiben, aber solange ich den Gasherd nehme, sollte es okay sein, zumindest einen Tag lang, an dem ich versuche, meine Gedanken auf die Reihe zu kriegen. Habe ich mich Adam an den Hals geworfen, oder hat er sich mir an den Hals geworfen? Ich könnte heute ohnehin nicht mit ihm in einem Zimmer sein. Da es immer noch so kalt ist, stelle ich den Ofen an, setze mich mit untergeschlagenen Beinen aufs Sofa und rauche und denke darüber nach, was ich als Nächstes tun soll. Vielleicht etwas schreiben, aber das kann ich nicht. Ich könnte etwas lesen – aber was liest man nach »Mr. Y«? Ich könnte einfach den ganzen Tag hier sitzen bleiben und darauf warten, dass der Fluch zuschlägt. Aber es gibt keinen Fluch. Der einzige Fluch in meinem Leben bin ich.
Sie haben Wahl.
Was ist in meinem Traum passiert?
Während ich mir im feuchten Bad (bei weitem das kälteste Zimmer in der Wohnung) zitternd die Zähne putze, fällt mir ein, dass der Markierstift im Badezimmerschrank ist. Natürlich. Ich habe dieses komische Shampoo in einer unbeschrifteten Flasche gekauft und wollte etwas draufkritzeln, für den Fall, dass ich noch etwas anderes an diesem Marktstand kaufen und so Verwechslungsgefahr bestehen würde. Das sind so die Dinge, die ich tue, wenn ich eigentlich arbeiten müsste: Etiketten auf Shampoo-Flaschen beschriften, Jeans bügeln, über Möwen nachdenken. Ich mache den Schrank auf, und da liegt er, ein dicker schwarzer Stift, neben einer alten Schachtel Paracetamol und einer kaputten Bürste. Als ich die Tür öffne, rollt er heraus, und ich fange ihn auf, bevor er ins Waschbecken fällt. Okay.
Zehn Minuten später sitze ich wieder auf dem Sofa, diesmal mit einer Tasse Kaffee, einer Zigarette und einem perfekten schwarzen Kreis auf der Rückseite einer perfekten weißen Karte. Ich bin die gesamte falsch adressierte Post im Erdgeschoss durchgegangen, bis ich eine vermutlich rund ein Jahr alte Geburtstagskarte in einem blassblauen Briefumschlag fand. Alles Gute zum Zwanzigsten, Tamsin, stand darauf. Wir besuchen dich bald. Unterschrieben von Maggie und Bill. Aber dieser Teil ist jetzt im Mülleimer. Ich habe den anderen Teil: eine rechteckige Karte mit einer idyllischen viktorianischen Szene auf der einen und einem strahlend weißen Nichts auf der anderen Seite. Na ja, jetzt ist es ein strahlend weißes Nichts mit einem kleinen schwarzen Kreis in der Mitte, perfekt ausgefüllt.
Ich drücke meine Zigarette aus und trinke den letzten Rest Kaffee, drehe die Karte um und schaue mir nochmal das viktorianische Bild an. Es ist auf 1867 datiert und als Sommerlandschaft bezeichnet, obwohl die Farben einen herbstlichen Eindruck machen. Die Landschaft macht einen derart friedlichen Eindruck: rote Erde mit einem dicken Grasteppich belegt, überdacht mit smaragd- und bronzefarbenen Bäumen, ein Pfad an einem Fluss entlang, auf dem man in vollkommener Stille spazieren gehen könnte. Ich drehe die Karte um, und da ist wieder der Kreis. Kreis. Beruhigende Landschaft. Kreis. Beruhigende Landschaft. Ich weiß, welche Seite die bessere Geburtstagskarte wäre. Richtig. Sollte ich fünfzehn Minuten warten, bevor ich das hier mache? In allen Homöopathiebüchern, die ich gestern gelesen habe, stand, dass man homöopathische Medikamente mit sauberem Mund fünfzehn Minuten nach Einnahme von Speisen oder Getränken zu sich nehmen sollte. Aber das ist okay. Falls es nicht funktioniert, kann ich die Schuld auf den Kaffee schieben und es später nochmal probieren. Solange ich es falsch
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