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Troubles (German Edition)

Troubles (German Edition)

Titel: Troubles (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gordon Farrell
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und seine Gegner gespielt hatten. Sarah sah ihn ein- oder zweimal an, sagte jedoch nichts. Er versank in düsteres Grübeln, bis Mrs. Rice plötzlich und ohne jede Vorwarnung fragte: »Und wie geht es dem lieben Ripon, Mr. Spencer? Wie ich höre, waren Sie gestern bei ihm in Dublin.«
    Der Major blickte von Edward zu Sarah, die lächelnd ihre Karten musterte, als habe sie die Frage nicht gehört. Doch eine leichte Röte überzog ihren Nacken und ihre Wangen. Was konnte Edward sagen? Der Major betrachtete ungerührt seinen gequälten Gesichtsausdruck, als er sich eine Antwort zurechtlegte. Er war gerade im Begriff, Mrs. Rice zu antworten, als ein turbulenter und schauriger Vorfall diesem Vorhaben jäh ein Ende machte.
    Die jüngste Neuverteilung der Spieler hatte Miss Staveley in unmittelbare Nähe der Stelle verschlagen, wo Mrs. Rappaport mit dem Kater auf dem Schoß saß. Während der letzten Minuten hatte der Kater mit seinen grimmigen grünen Augen unverwandt auf den dicken Fasan gestarrt, der wehrlos oben auf Miss Staveleys prachtvollem Hut hockte. Bei jeder Bewegung, die sie machte, bebten die schwungvollen Schwanzfedern des Vogels. Schließlich konnte der Kater der schier unerträglichen Versuchung nicht mehr widerstehen; er sprang mit einem Satz von Mrs. Rappaports Schoß, schnellte wie ein gefährlicher orangeroter Blitz durch die Luft, landete auf Miss Staveleys in schwarzem Samt gewandeten Schultern und schlug seine schrecklichen Krallen in das zarte Gefieder des Vogels. Miss Staveley stieß einen Schrei aus und sank nach vorn auf den Kartentisch, während der Kater auf ihrer Schultern saß und an dem Kopfputz zerrte und riss, dass die Federn nur so flogen. Es war ein höllisches Durcheinander. Die Damen schrien vor Entsetzen. Die Männer sprangen auf und machten ihrer Verblüffung mit barschen Rufen Luft. Schließlich eilten Edward und der Major über umgestürzte Stühle zu Hilfe. Doch ehe sie Miss Staveley erreichten, machte der Hauslehrer einen Satz nach vorn und versetzte dem Tier einen heftigen Schlag ins Genick. Es stieß einen schrillen Schmerzensschrei aus, dünn wie das Wehklagen eines Kindes, und stürzte dann stumm auf den Teppich.
    Danach herrschte Schweigen. Alle im Zimmer waren erstarrt. In der plötzlichen Stille wirkte das Knistern eines Holzscheits im Kamin unnatürlich laut. Der Hauslehrer bückte sich und hob den Kater auf. Einen Augenblick lang hielt er ihn hoch über den Kopf, das bleiche, narbige Gesicht zu einem grausamen Grinsen verzerrt. Dann schleuderte er das Tier mit aller Gewalt durchs Zimmer. Es prallte mit einem widerlich dumpfen Laut gegen die Wand und plumpste leblos zu Boden. Alle im Raum rangen nach Atem und starrten auf das schlaffe rotgestreifte Bündel.
    Der Major war nicht ganz sicher, was als nächstes geschah. Er sah die grausame Freude ganz langsam aus dem Gesicht des Hauslehrers weichen. Der Mann senkte den Blick zum Teppich und schlich zurück an seinen Tisch, beschämt und verlegen. Niemand sagte ein Wort zu ihm. Mit leerem Blick studierte er seine Karten.
    Derweil umsorgten Edward und die Damen Miss Staveley mit Riechsalz und tröstenden Worten, während diese sich unter heftigem Schluchzen mühte, die traurigen Überreste ihres Huts von den weißen Locken zu lösen. Der Doktor wurde um Rat gefragt; »Ach«, brummte er mürrisch, »schaffen Sie sie an die frische Luft. Das wird schon wieder«, doch niemand wollte glauben, dass er nicht mehr als das zu sagen hatte. Die Murphys wurden herbeigerufen, um seinen Stuhl anzuheben, und sie trugen ihn (unter Protesten des Doktors, die niemand beachtete) quer durch den Raum an Miss Staveleys Seite. Dort senkten sich seine Lider über die Augen, und allem Anschein nach schlummerte er ein. Miss Staveley erholte sich bereits zusehends und brauchte tatsächlich keinen medizinischen Beistand. Es machte ihr sogar sichtlich Freude, so im Mittelpunkt des Interesses zu stehen, und schon bald berichtete sie in allen Einzelheiten, wie es sich anfühlte, wenn man angesprungen wird und spürt, dass sich einem »grausame Krallen« in die Schultern bohren. Was für ein unerhörter Zwischenfall! Alle versuchten, sich in dem Tohuwabohu Gehör zu verschaffen, zu beschreiben, wie sie von ihrem jeweiligen Sitzplatz aus gesehen hatten, wie dieser krallenbewehrte Blitz, dieses Raubtier durch den Raum geschossen war und sich auf Miss Staveleys Hut gestürzt hatte. Die einzige, die in diesem Stimmengewirr stumm blieb, war Mrs. Rappaport; sie

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